#07 - Wohin mit meinen Gefühlen?
Shownotes
Die einen schreien zuhause herum, die anderen verkriechen sich hinter den Bildschirmen oder betäuben sich mit Alkohol. Den Umgang mit sogenannten positiven Gefühlen wie Glück oder Verbundenheit lernen wir meist von klein auf. Aber was ist mit starken Gefühlen wie Wut, Traurigkeit oder Angst?
Wie wir am besten mit diesen Gefühlen umgehen können fragen wir Ernst Silbermayr, Psychotherapeut und Trainer.
Für Beratung und Unterstützung wenden Sie sich unter der Telefonnummer 0043 1 – 205 552 – 502 an den Verein Dialog. Zahlreiche Informationen finden Sie unter www.isp.wien und www.mindbase.at
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Moderation: Christina Scattolin Produktion: Isabella Ferenci (flowlabs.studio) Redaktion: Margit Bachschwöll (ISP), Nika Schoof (Verein Dialog) Technik und Jingle: Johannes Scherzer
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00:00:03: Mein Name ist Christina Scattolin und ich frage im Podcast Donner.Wetter.Sucht was Eltern tun können,
00:00:10: wenn ihre Kinder im Erwachsenwerden Sex, Drugs and Rock'n Roll kennenlernen.
00:00:16: Kleine Vorschau: Verbieten alleine funktioniert meistens nicht.
00:00:21: Donner.Wetter.Sucht, der Podcast für Eltern und Erziehende.
00:00:31: Willkommen! Schön, dass Sie bei Donner.Wetter.Sucht dabei sind. Angst,
00:00:36: Wut, Trauer, Verzweiflung, Schuld... das sind Gefühle, die wir als sehr stark empfinden und
00:00:43: wir wollen sie gern so schnell wie möglich loswerden. Oftmals durch Ablenkung oder Betäubung,
00:00:48: aber Gefühle wollen gefühlt werden. Also wohin mit den Gefühlen? Diese Frage stelle
00:00:55: ich heute unserem Experten. Er ist klinischer Psychologe und Psychotherapeut, er arbeitet als
00:01:01: Trainer für das Institut für Suchtprävention in Wien, hier vor allem im Bereich der Förderung
00:01:06: von Lebenskompetenzen. Unter anderem ist er auch Lehrbeauftragter bei Fit For Kids in der
00:01:13: Ausbildung zur Lebens- und Sozialberatung mit dem Schwerpunkt Erziehungsberatung. Auch hier wieder
00:01:20: ein digitales Hallo an Dr. Ernst Silbermayr. – Hallo, freue mich über die Einladung.
00:01:25: – Ein Vater hat uns angerufen und folgende Nachricht auf unserer Podcastmailbox hinterlassen:
00:01:32: Ich hoffe, dass Sie mir da vielleicht weiterhelfen können. Mich nerven die Streitereien zuhause schon
00:01:48: ziemlich. Wir rasten immer gleich aus und es wird immer gleich so laut. Die Kinder verzupfen sich
00:01:48: dann mit ihrem Handy ins Zimmer... das gefällt mir auch nicht. Und ich setze mich dann mit
00:01:51: meinem Bier vor den Fernseher... irgendwie habe ich mir das alles anders vorgestellt.
00:01:54: – Jugendliche flüchten sich ins Handy,
00:01:58: der Vater mit dem Bier vor den Fernseher. Ich würde mal sagen, das sind Ventile,
00:02:03: wenn man das so bezeichnen kann. Sind das die richtigen Ventile, Ernst, so fürs Erste gefragt?
00:02:10: – Also grundsätzlich ist mal dazu zu sagen, wenn die, wenn dicke Luft herrscht, ist es immer ganz
00:02:14: gut, wenn es überhaupt so die Möglichkeit gibt, Ventile zu nutzen und das braucht man. Die Frage,
00:02:21: ob die Ventile richtig oder falsch sind, sind eigentlich in unserem Gesamtkontext zu beurteilen.
00:02:27: Wenn man Probleme hat, wenn man von heftigen Gefühlen gebeutelt ist, sei es als Jugendliche,
00:02:32: Jugendlicher, sei es als Elternteil. Die Frage ist eher: ist diese, sozusagen dieses Ventil,
00:02:38: eine Flucht, wo man sich gewöhnt hat, immer wenn dicke Luft herrscht, sofort zu fliehen? Oder ist
00:02:44: es mal einfach ein Bewältigungsmechanismus, um mal durchatmen zu können, weil sich seinen Gefühle,
00:02:49: die einen da bewegen, vielleicht auch bewusst zu werden? Problematisch ist, wenn sich dieses,
00:02:54: so nennt man das, Ausweichverhalten quasi verselbständigt und zu der einzigen Strategie
00:03:00: wird, wie man mit Konflikten in der Familie umgehen kann. Jede Familie hat Konflikte. Der
00:03:05: Konflikt an sich oder auch Streitereien an sich sind nicht das Problem. Das Problem ist eher,
00:03:10: oder worin sich Familien unterscheiden, ob sie eine gute Konfliktkultur vielleicht miteinander
00:03:15: entwickelt haben. Die ist manchmal explizit, manchmal implizit vorhanden,
00:03:20: aber jede Familie braucht ihre Konfliktkultur, idealerweise eine gute Konfliktkultur.
00:03:25: – Meine erste Frage da an dich ist expliziter und impliziter Konflikt,
00:03:30: sag' mir da gleich, was das bedeutet!
00:03:31: – Expliziter oder impliziter Umgang mit diesen Konflikten. Es gibt Familien,
00:03:35: die überlegen sich, wie wollen wir mit Problemen, mit Herausforderungen umgehen. Reden wir beim
00:03:40: Essen darüber? Setzen wir uns regelmäßig zusammen? Fragen wir einander, wie es uns geht? Was sind so
00:03:46: die Herausforderungen, die jedes Familienmitglied hat, speziell die Jugendlichen vielleicht? Und
00:03:52: manche denken darüber nach oder überlegen sich miteinander, was ihnen gut tut als Familie,
00:03:57: als System Familie. Die meisten, würde ich jetzt mal sagen, tun das nicht,
00:04:01: haben aber vielleicht trotzdem quasi Arten und Weisen entwickelt, ja, wie sie mit diesen
00:04:07: Herausforderungen und auch mit Konflikten, also Konflikt ist ein bisschen mehr als ein Problem.
00:04:12: Ein Konflikt... sind ja Probleme, wo man zunächst einmal nicht unbedingt eine Lösung hat, wo es
00:04:17: unterschiedliche Haltungen, unterschiedliche Interessen, unterschiedliche Positionen gibt,
00:04:21: die zunächst einmal nicht in Einklang zu bringen sind. Aber oft entwickelt sich so
00:04:26: was sozusagen implizit einfach durchs Tun, ohne dass man darüber reflektiert oder nachdenkt.
00:04:32: – Also implizit in dem Fall ist ein: wie gehe ich damit um, automatisch,
00:04:37: ohne dass ich großartig darüber rede? Oder wie spreche ich darüber im Expliziten, wäre das dann?
00:04:41: – Ja, so könnte man sagen, genau, genau. Macht man es sich bewusst oder nicht? Und natürlich
00:04:46: ist das ein kleiner Hinweis, vielleicht auch schon an den Vater, der da geschrieben hat,
00:04:52: mal nachzudenken. Also reden wir als Familie darüber, wie wir mit Konflikten umgehen wollen?
00:04:59: Schauen wir, dass wir bei Konflikten alle Familienmitglieder an Bord haben,
00:05:03: oder lassen wir es einfach so sich entwickeln, wie es halt täglich vielleicht sich anbietet?
00:05:09: – Der Mann, der Papa setzt sich jetzt hin und trinkt ein Bier. Es geht jetzt weniger um den
00:05:14: Alkohol, aber er zieht sich ja auch zurück. Diese Vorbildwirkung, denke ich mir, die hat
00:05:19: man ja auch für seine Jugendlichen, oder ist man kein Vorbild mehr, wenn die Kinder 15, 16 sind?
00:05:25: – Natürlich, die Kinder orientieren sich immer an den Eltern. Manchmal in dem Sinne, dass sie sagen,
00:05:32: das ist ein Modell, an dem ich mich orientiere, so möchte ich es machen, weil ich erlebt habe,
00:05:37: so geht man gut um mit den Dingen. Oder kann man Probleme gut in den Griff kriegen. Manchmal sind
00:05:43: aber Eltern auch sozusagen Vorbilder in der Art, dass man sagt, ich weiß, was ich nicht
00:05:48: möchte so… sagen ja auch viele immer wieder, so wie meine Mutter, wie mein Vater möchte ich
00:05:53: garantiert nicht werden. Also auch das ist eine wichtige Funktion der Vorbildwirkung von Eltern,
00:05:59: dass die Kinder, und gerade das Jugendalter ist ja das Alter, wo die Kinder auch lernen
00:06:02: sozusagen eigene Wertvorstellungen, durchaus auch in Abgrenzung von ihren Eltern zu entwickeln und
00:06:08: selbst auch zu vertreten. Also da gehört durchaus die Abgrenzung auch dazu. Bei diesem Vater,
00:06:14: ich würde jetzt nicht gleich sozusagen hier so mit der Tür ins Haus fallen und ihm sozusagen
00:06:20: so ein bisschen… quasi aufdecken, dass er da hier ja das gleiche macht, wie seine Kinder ganz
00:06:27: offensichtlich. Ich würde eher versuchen, ihn ein bisschen darauf hinzuführen, dass er selber
00:06:32: darauf kommen kann und mein Einstieg in dieses Gespräch wäre eher mal noch zu schauen, woran ist
00:06:39: er? Was macht ihn denn verzweifelt? Was ist es denn, das, wo er darunter wirklich leidet? Dass
00:06:45: er mal so eher so ein bisschen auf sich schaut und schaut, was so seine Bedürfnislage ist. Was
00:06:50: wünscht er sich denn für sich und seine Familie? Um dann noch einmal ein bisschen zu schauen, auf
00:06:56: diesen quasi systemischen Blick und idealerweise aber das sollte man nicht zu schnell verspielen,
00:07:02: diese, diese Möglichkeit ihn sozusagen selber auf die Spur zu bringen. Das eigentlich da in diesem
00:07:08: System mehrere Mitglieder offensichtlich gleiche Strategien haben, wie sie mit der Situation,
00:07:14: nämlich die Streitereien, die er da nennt oder so, man müsste, müsste vielleicht auch noch mal
00:07:19: klären, ob das aus der Sicht der Kinder wirklich auch so belastend ist, vielleicht auch nicht,
00:07:23: aber es sieht jetzt mal so aus, dass er da selber darauf kommt, dass da ja eigentlich alle
00:07:29: die gleiche Strategie verfolgen. Weil das andere wäre so ein bisschen konfrontierend zu arbeiten,
00:07:34: ihm einem Spiegel vor die Augen zu halten, und was man in einer Beratung dann oft erntet,
00:07:38: ist das so genannte Reaktanzphänomen. Also einen gewissen Widerstand, dass man sagt…
00:07:42: – Die wollen dann nicht oder blocken ab?
00:07:44: – Naja, sie blocken ab, weil sie sich sozusagen nicht in ihrem Freiheitsgrad
00:07:48: beschränken lassen wollen, oder sich nicht sagen lassen wollen,
00:07:51: was richtig und was falsch ist, ja. Also was ich ja durchaus nachvollziehen kann.
00:07:57: – Weil du vorher gesagt hast systemischer Konflikt… Du meinst,
00:08:00: die Familie als System in dem Fall jetzt?
00:08:02: – Jetzt habe ich von, genau, genau.
00:08:03: – Okay. Also das System der Familie. Jetzt wäre meine Frage auch an dich:
00:08:09: die sind jetzt spannungsgeladen und in dem System da passt es gerade nicht,
00:08:13: was man ja natürlich auch selbst kennt. Wie ist ein – ich finde
00:08:16: das Wort Ent-Spannung – jetzt möglich? Welche Verhaltensänderungen könntest du denen empfehlen?
00:08:22: – Ja, da müsste ich ein bisschen auch, ein bisschen sprechen natürlich mit dem Vater,
00:08:26: was… vielleicht auch die guten Ausnahmen, die sie haben. Vielleicht gibt es in dieser Familie auch
00:08:32: gemeinsame Erlebnisse, wo sie mit Problemen anders umgegangen sind, als in Streitereien,
00:08:37: die dann ausgeartet sind, und wo alle von ihren Emotionen, von den so genannten negativen
00:08:41: Emotionen, wie Enttäuschung, Wut vielleicht auch nicht so quasi überflutet werden. Meistens gibt
00:08:48: es in solchen Systemen auch wie… also in solchen Systemen, wie es diese Familie jetzt darstellt,
00:08:54: oft auch ganz gute Ausnahmesituationen, an die sich die Beteiligten erinnern. Die können dann
00:08:59: zum Beispiel sagen: ja damals, als wir gemeinsam diesen Ausflug gemacht haben, da waren wir auch
00:09:04: in einer schwierigen Situation. Aber da haben wir uns anders zugehört, oder da haben wir uns besser
00:09:09: ernst nehmen können, oder da waren wir alle ein bisschen… da war der Druck draußen, da konnten wir
00:09:16: ein bisschen, ja etwas gemeinsam unternehmen, wo es uns gut gegangen ist miteinander. Und
00:09:21: an solchen positiven Erinnerungen, positiven Beispielen aus der eigenen Geschichte anzuknüpfen,
00:09:27: das ist meistens recht wertvoll. Ich wollte zuerst noch kurz vielleicht erwähnen, mit dieser Sache,
00:09:34: mit diesem Hinweis auf diese Modellwirkung. Das kann man natürlich schon machen,
00:09:39: nur sowas braucht einen guten Aufbau. Auch im Beratungsgespräch eine gute Vorbereitung und
00:09:44: man kann es natürlich dann sagen, wenn der Vater zum Beispiel signalisiert, er ist jetzt bereit
00:09:50: nachzudenken über sein eigenes Verhalten und über seinen eigenen Beitrag, den er liefern kann, dass
00:09:56: sich in dieser Familie etwas ändert, ja. Im Umgang mit zum Beispiel Konflikten und Streitereien.
00:10:01: – Und die Modellwirkung, meinst du da zum Beispiel,
00:10:04: dass er in seinem Verhalten vielleicht etwas ändert?
00:10:06: – Wenn er bereit ist. Wenn er bereit ist zu sagen: hey, was kann ich dafür tun? Kann ich
00:10:12: mit meiner Tochter, mit meinem Sohn… kann ich einen anderen Zugang zu ihm oder zu ihr finden,
00:10:16: dass weder ich zum Bier greifen muss noch er oder sie sich in irgendwelche Internetgeschichten
00:10:24: flüchten muss? Und wenn diese Bereitschaft gegeben ist, dann kann man gut über die Modellwirkung
00:10:29: reden. Dann kann man gut vielleicht auch mit empathischer Gesprächsführung oder mit… auch mit
00:10:34: der Aufforderung, sich in die Situation seiner Kinder hineinzuversetzen, da was auch abholen.
00:10:40: – Aber wenn ich mir jetzt vorstelle, weil du vorher gesagt hast, wir stellen uns vor, der
00:10:45: Ausflug, der war damals schön und so weiter, wenn ich jetzt aber gerade streite und mir die anderen
00:10:49: sowas von auf die Nerven gehen und wir jetzt nicht herauskommen aus dem… Wenn ich dann komm:
00:10:54: ma, ihr Lieben, letztes Mal, da war es aber so schön! Werden die das ernst nehmen dann?
00:10:58: – Nein. Das ist natürlich eine Karikatur, so ist es auch nicht gemeint, ja. So,
00:11:03: wenn man von Gefühlen sozusagen beherrscht wird, dann brauchen die Gefühle jetzt einmal Beachtung,
00:11:09: ja, und ich würde eher sagen, dann sind diese, so diese Ventilfunktion, die so gewisse Dinge haben,
00:11:15: schon sehr gut. Man muss mal schauen, woher kommen diese Gefühle? Wie ist das? Was ist
00:11:21: das überhaupt für ein Gefühl, das mich da bewegt? Bin ich eigentlich wütend? Bin ich traurig? Was
00:11:25: ist es eigentlich und worum geht's mir? Man kann auch nicht für jedes Gefühl die Kinder,
00:11:31: oder die Kinder die Eltern zuständig machen, weil die Gefühle kommen vielleicht ganz woanders her
00:11:35: auch. Also so einen kleinen, eine kleine Pause, eine kleine Stopptaste bei sehr heftigen Gefühlen,
00:11:41: wo die Leute kurzfristig mal auseinander gehen und sich sammeln, wie auch immer, das ist eigentlich
00:11:46: etwas, was ich schon mal im Prinzip als sehr konstruktiv finde. Also, du hast zuerst die
00:11:53: Lebenskompetenzen angesprochen, die da so als Hintergrundmodell auch dienen können und da gibt
00:12:00: es eine der ganz wesentlichen Lebenskompetenzen ist ja auch die Selbstwahrnehmung,
00:12:05: also auch sich selbst mal wahrzunehmen, was mich bewegt, ja, also welche Gefühle mich bewegen,
00:12:13: welche Gefühle ja einfach auch da sind und Gefühle sind einfach. Das ist das Wesen von Gefühlen.
00:12:20: Gefühle sind und wollen einen Ausdruck. Und man darf auch mal wütend sein, das ist ganz wichtig,
00:12:26: dass man sich auch vor Wut nicht schreckt und dass man auch den Kindern erlaubt wütend zu
00:12:30: sein. Wahrscheinlich haben sie auch eine, zunächst einmal einen guten Grund und dann geht es darum,
00:12:36: wie kann ich sozusagen meine Wut ausdrücken, ohne dass ich irgendwie Glas zerbreche oder
00:12:42: sonstigen Schaden in irgendeiner Form anrichte. Zum Beispiel auch einen Schaden in der Beziehung
00:12:47: zwischen Eltern und Kindern. Und Kinder sollen auch sehen, dass Eltern wütend werden dürfen.
00:12:54: Kinder sollen sehen, dass Eltern Wut haben aber auch mit ihrer Wut gut umgehen können.
00:12:58: – Das ist nämlich das Spannende, wie du sagst, mit der Wut gut umgehen können.
00:13:02: Ich habe… also als Erstes würde ich gern noch über die Lebenskompetenzen dann sprechen, aber wenn du
00:13:06: jetzt gerade dabei bist: ich habe in meinem Leben oder in meiner Jugend schon eher mitbekommen:
00:13:12: naja, man schluckt die Gefühle runter, das schickt sich nicht so unbedingt und dann war
00:13:18: ich vielleicht mal angespannt, habe nicht gewusst, woher, aber an sich hat man es mir von außen nicht
00:13:24: angemerkt und ich finde schon, dass es, dass man es jetzt mehr raus lässt, ob das gut ist oder
00:13:29: nicht, das weiß ich nicht. Also meine Kinder, die dürfen das mehr sagen, als ich das sagen durfte.
00:13:33: – Ja, ich als Psychologe, als Psychotherapeut sage es ist auf jeden Fall gut, dass die Gefühle leben,
00:13:39: sich ausdrücken dürfen und auch, das ist die Grundlage für die Bewältigung auch von heftigen
00:13:45: Gefühlen zumindest, macht so ein bisschen einen Unterschied. Von der Psychologie sind
00:13:50: Gefühle ja neutral, und so im Alltags- so im Alltagsverständnis sagt man zu Wut oder auch
00:13:56: zu Angst oder zu Traurigkeit, das wird oft so als die sogenannten negativen Gefühle betrachtet. Aber
00:14:01: Gefühle sind nicht negativ. Trauer, Traurigkeit ist ein angemessenes Gefühl für den Verlust von
00:14:07: wichtigen Dingen. Wut ist ein angemessenes Gefühl für sozusagen Dinge nicht in den Griff kriegen
00:14:13: können, ja, also zum Beispiel. Also die Gefühle an sich sind nicht negativ. Man, sozusagen,
00:14:21: man gibt ihnen oft so ein bisschen diese Bedeutung, weil man leicht überfordert ist damit
00:14:25: diesen Gefühlen sozusagen den richtigen Platz zu geben. Und man lernt umso besser damit umzugehen,
00:14:29: je eher man sich sich's auch zugesteht, dass man solche Gefühle haben darf. Und Gefühle aushalten,
00:14:35: also bedeutet auch nicht andere Menschen dafür zuständig machen, mit diesem Gefühl
00:14:40: zurechtzukommen. Zum Beispiel Eltern. Also sag' ich mal. Eltern sollen schon Kindern auch zeigen,
00:14:45: dass sie auch emotionale Wesen sind. Wesen, die mit Affekten sozusagen… Affekt-fähig sind, und
00:14:53: aber auch die gleichzeitig fähig sind mit diesen Gefühlen auch selber und gut umzugehen. Auch mit
00:14:59: Enttäuschungen, Kinder sollen sehen, wie Eltern mit Enttäuschungen umgehen und wie das ausgedrückt
00:15:04: wird. Und dann lernen sie es am besten. Das ist die beste, sozusagen, Modellfunktion.
00:15:08: – Und wie kann ich jetzt am besten, so auf die Schnelle gesagt, damit umgehen,
00:15:13: wenn ich wütend bin als Elternteil jetzt? Trauer ist das eine, aber wenn man jetzt
00:15:18: wirklich wütend ist, ich denke mir dann schon als Mutter, ich beherrsche mich halt. Nicht,
00:15:22: dass es mir immer gelingt aber wie soll ich da vorbildmäßig mit meiner Wut umgehen?
00:15:27: – Indem ich zum Beispiel überlege: was macht mich eigentlich wütend? Ist es eine Hilflosigkeit,
00:15:33: die mich gerade bewegt, die mich in die Wut… und in dem ich es dann auch sage:
00:15:37: ich bin jetzt so wütend, weil ich habe mir so viel überlegt, ja, was wir uns heute… was
00:15:44: wir essen wollen miteinander, ich tu jetzt ganz was, ein ganz banales Beispiel nehmen,
00:15:47: und ich habe auch gefragt, was euch schmeckt, was ihr euch wünscht und ich bin eine Stunde
00:15:51: in der Küche gestanden, ich wollt's für alle schön machen, und jetzt sitzt ihr da und nach
00:15:55: einem Bissen stellt ihr den Teller weg. Das macht mich wirklich wütend, weil ich enttäuscht bin,
00:16:00: zum Beispiel. Und dann kann dort das nachvollzogen werden, dann kann man von der anderen Seite wieder
00:16:06: quasi wieder mit der Empathiefähigkeit das unter Umständen nachvollzogen werden.
00:16:09: – Das man sich reinversetzt in die Mutter, hoffentlich.
00:16:12: – Zum Beispiel ja, ja genau. Vielleicht. Und dann kann man sagen, ja, aber… oft ist
00:16:20: es ja so. Wenn ich einen Zugang zu den eigenen Gefühlen habe, wenn ich sie selber verstehe,
00:16:24: wenn sie sozusagen die Rätselhaftigkeit, woher sie kommen, das ist, das ist ja oft schon der
00:16:29: wichtigste Schritt, dass sich das auch wieder besänftigen und legen kann und dass man wieder
00:16:33: kommunikations-, begegnungsfähig wird. Also dass man dann auch der anderen Seite zuhören kann,
00:16:39: warum die halt jetzt nicht das essen möchte, weil da irgendwie was anders wichtiger geworden
00:16:43: ist. Aber dieses Gefühl ist aus meiner Sicht, das… das wäre schön, wenn du sagst, dass das
00:16:49: irgendwie besser geworden ist, würde ich auch so sagen, rein tendenziell, wobei es sind schon noch,
00:16:53: ich glaube wir leben schon noch in einer Kultur, gerade dieser… dieses Gefühl der Wut oder dieser
00:16:59: ganze Zweig der sogenannten aggressiven Gefühle, also… man spricht ja von so Primäraffekten oder
00:17:05: so Grundgefühlsqualitäten. Ärger und alles, was sich daraus ausdifferenziert, wie Wut, Hass und so
00:17:12: weiter, also dieser Zweig der aggressiven Gefühle eigentlich, ja. Dann das Zweite wäre alles,
00:17:19: was mit Angst zu tun hat. Ängstlichkeit bis zur Panik. Auch das ist sozusagen ein Qualitäts-,
00:17:26: eine Qualitätsvariable, die sich dann im Laufe des Lebens immer weiter ausdifferenziert und
00:17:31: sozusagen viele Äste kriegt, könnte man sagen. Und Trauer wäre eines. Und aber auch sozusagen
00:17:38: die guten Gefühle, wie Zufriedenheit. Also auch das kann sich dann zum Glück weiterentwickeln.
00:17:45: – Aber wir haben zuerst mehr negative eigentlich… so pauschal gesagt,
00:17:49: klingen die alle nicht so gemütlich.
00:17:51: – Ja… Nicht so gemütlich gefällt mir besser als negativ, weil als Psychologe muss ich sagen,
00:17:57: es gibt keine negativen Gefühle. Eigentlich ist es eine Lebenskompetenz alle diese Gefühlsqualitäten
00:18:04: bei sich zu kennen, weil sie haben alle einen Sinn. Angst weist mich darauf hin,
00:18:08: dass es eine Gefahr gibt. Angst kann mich, kann mir dazu verhelfen, mit gefährlichen
00:18:14: Situationen umzugehen.Wut kann sozusagen, und alle aggressiven Gefühle sind auch sehr wichtig,
00:18:20: weil sie mich antreiben können, Probleme aktiv zu lösen. Mit einer aktiven Grundhaltung etwas
00:18:27: in den Griff zu kriegen, ja, und auch Traurigkeit ist eine wichtige Gefühlsqualität, die der Mensch
00:18:33: eigentlich braucht, um Verluste in seinem Leben zu bewältigen. Also es gibt in dem Sinne keine
00:18:38: negativen Gefühle. Aber wenn du sagst ungemütlich, dann gefällt mir das ein bisschen besser, ja,
00:18:44: weil es nicht immer leicht ist, mit diesen Gefühlen natürlich umzugehen, weil man es auch
00:18:48: lernen muss. Man lernt es natürlich durch die frühen sozusagen Bindungserfahrungen,
00:18:53: die jedes Kind mehr oder weniger positiv macht. Also diese Gefühlsqualitäten… man sagt so,
00:18:59: das lernt man alles noch, bevor ein, bevor man wirklich eine Sprache hat,
00:19:05: so diese emotionale Sprache. Am Anfang hat das Baby ja nur quasi… was es kennt is
00:19:10: Spannung und Entspannung und es ist ein bisschen darauf angewiesen, dass es Bezugspersonen hat,
00:19:17: die für es und mit ihm diese Spannungen, denen unterschiedliche Qualitäten beizumessen. Also
00:19:24: ein Vater, eine Mutter muss lernen, wenn ein Baby schreit, schreit es, weil es
00:19:28: Hunger hat zum Beispiel? Schreit es, weil irgendetwas wehtut? Und diese Spannung man,
00:19:35: sagt so ein bisschen das passiert so bis zum 18. Lebensmonat, so prinzipiell, dass man,
00:19:41: das auch ein Baby lernt, durch die Interaktion mit dem primären Bezugspersonen diesen Spannungen
00:19:46: unterschiedliche Bedeutungen zu geben und die verschiedenen Qualitäten auch sozusagen
00:19:50: zu entwickeln. Also lang sozusagen bevor Sprache eigentlich als Kommunikationsmittel
00:19:55: zur Verfügung steht, ist dieser Abgleich, dass diese emotionale Kommunikation findet
00:20:01: da… und das lernen diese… sozusagen mit Gefühlen, Gefühle lesen zu können, sagt man ja auch oft.
00:20:08: – So früh beginnt das… weil ich denke mir so als Mutter, ich habe das immer ganz gern natürlich,
00:20:13: wenn alles gut ist und wenn alles positiv ist und dann finden wir jetzt schnell eine Lösung.
00:20:17: Also ich würde mich eher als Anhängerin dieser ganz übergemütlichen Gefühle, wie Zufriedenheit,
00:20:23: ich würde da eher sagen ich bin eine Anhängerin von denen und bin eher so ein:
00:20:27: okay, wir müssen es wieder gut sehen und so weiter und so fort… So bin ich auch erzogen worden,
00:20:31: für mich ist das ein neuer Aspekt, dass ich so früh mit diesen allen,
00:20:35: auch ungemütlichen Gefühlen eigentlich meinem Kind was Gutes tu.
00:20:39: – Ja, ich meine, mich wird natürlich dann interessieren, wie… ich mein ich weiß nicht, wie
00:20:44: sehr wir jetzt da über deine Familie reden sollen, aber wie geht's, wie lernt ihr dann mit Verlusten
00:20:52: umzugehen? Also ich sag mal so, wenn du, ich weiß nicht, wie alt deine Kinder jetzt sind, aber wenn
00:20:57: so ein kleines Kind sein Lieblingsspielzeug verliert, da bricht ja für dieses Kind die
00:21:02: Welt zusammen und ist es wichtig, dass ein Kind lernt auch mit solchen Verlusten umzugehen. Und
00:21:08: da kann man… also wie tut man da? Also wie tröstet man dieses Kind? Wie hilft man diesen Kind über
00:21:13: so einen tiefgehenden Verlust, wie der Verlust des Lieblingsteddybärs umzugehen, dass es dann
00:21:19: trotzdem lernt, das Leben geht weiter? Also hier ist es oft nicht so ratsam gleich sozusagen zu
00:21:26: sagen: es wird schon wieder und schau die Sonne scheint, oder wir kaufen dir einen neuen Teddybär,
00:21:31: es ist eh alles gut. Also wie viel, wie hilft man da als Elternteil seinem Kind, seinem kleinen Kind
00:21:37: auch zu trauern? Oder viel schwieriger mit Trauer… bei der Trauer sind wir oft auch eh noch ganz gut
00:21:43: empathiefähig, das geht ja noch, das ist ja so ein halb negatives Gefühl jetzt, um den allgemeinen
00:21:48: Sprachgebrauch zu nutzen, aber Ärger und Wut, das sind eigentlich aus meiner Sicht, so in meiner
00:21:54: Wahrnehmung die tabuisiertesten Gefühle. Also diesen ganzen Gefühlskomplex der Aggressionen,
00:22:03: das ist… wird sehr früh sanktioniert oft und ja, da werden auch die Kinder schon sehr abgeschnitten
00:22:10: ihre Wut und ihrem Ärger sozusagen Ausdruck zu verleihen. Man fragt oft dann gar nicht mehr nach,
00:22:18: welches vielleicht berechtigte Bedürfnis dahinter steckt, wenn jemand wütend ist,
00:22:24: wenn ein Kind wütend ist und ich glaube eher, dass wir da eine Schwierigkeit haben in unserer Kultur,
00:22:28: es klingt ein bisschen komisch, wenn ich das sage, weil ich bin natürlich… man muss auch an
00:22:32: großen Unterschied machen, dass wir sagen Wut und Aggression ist nicht gleich Gewalt. Gewalt
00:22:37: ist sozusagen die destruktive Form von Wut. Natürlich gibt es das, die zerstörerische,
00:22:43: aber das ist eigentlich nicht das Wesen von Aggression, ja, also auch hinter Aggression
00:22:51: steckt meistens, wenn man sich denn die Mühe hernimmt ja und wenn man dem sich zuwendet mit
00:22:56: Neugier und mit Wohlwollen zuwendet, meistens ein Bedürfnis, das nicht sozusagen Anerkennung
00:23:02: findet. Und das ist natürlich schon auch für Eltern dann oftmals eine Herausforderung, sich
00:23:08: da mit den Kindern zu befassen und sich sozusagen wohlwollend, einfühlend auch mit wütenden Kindern
00:23:14: zu befassen und ihnen gleichzeitig zugestehen, ja prinzipiell Wut darf einmal sein. Das ist
00:23:20: schon wichtig. Also… und ich halt es aus als Elternteil. Meine eigentlich, genau, das ist die
00:23:25: Voraussetzung. Selbst- und Fremdwahrnehmung, das geht ja ganz eng miteinander her. Ich kann ja nur
00:23:30: sozusagen das sozusagen aushalten gegenüber, was ich bei mir selber gut aushalten kann.
00:23:37: – Ich denke mir nämlich manchmal, auch wenn ich das jetzt so sehe okay, jetzt haben wir es schön
00:23:41: auseinander geschachtelt und gesagt das ist das, das ist diese Schublade von Gefühl,
00:23:46: aber oft ist man ja auch einfach… Ich finde, das sage ich immer wieder, jetzt bin ich so angespannt
00:23:52: und man weiß aber nicht, woher das eigentlich kommt und wie man damit umgehen soll und ich
00:23:57: merke auch diese Spannung jetzt nicht nur bei den Kindern, aber auch bei anderen Menschen, bei
00:24:01: Arbeitskollegen und Freunden, die sind angespannt und man überspielt es halt ein bisschen schön,
00:24:07: weil es mühsam ist und ich finde diese Angespanntheit ist immer wieder so in
00:24:11: der Luft und das finde ich persönlich sehr, sehr anstrengend und ich glaube,
00:24:14: das wird, oder ich sage auch selber, das wird einfach ganz wenig angesprochen dann.
00:24:18: – Ja, das wäre so ein bisschen eine andere Lebenskompetenz, die du damit ansprichst.
00:24:23: Natürlich, wir leben in einer Welt, wo auch schon von klein auf, da geht es den Kindern ganz
00:24:27: ähnlich, ich denke jetzt gerade an diese Corona Pandemie und was das für eine Grundspannung in
00:24:33: unserer Gesellschaft, die auf Familien einwirkt, die auf die Individuen einwirkt, manchmal denke
00:24:38: ich mir die Kinder können gerade eh noch am besten damit umgehen… das ist eine weitere, sehr wichtige
00:24:43: Lebenskompetenz, das wie kann man sich trotz vieler Anforderungen, vor der niemand, von denen
00:24:50: niemand von uns gefeit ist, trotzdem ausreichend entspannen, erholen, ja und natürlich gehört da
00:24:59: dazu, sich auch da wieder diese Fähigkeit sich ein bisschen bewusst zu machen, was in meinem Leben
00:25:05: ist eine Herausforderung, die mich weiterbringt, wo ich mich weiterentwickeln kann, wo ist aber
00:25:09: auch dann die Grenze zur Überforderung und wie gehe ich mit dieser drohenden Überforderung um?
00:25:14: Kann ich es frühzeitig sehen? Gehe ich oft über meine eigenen Grenzen? Überfordere ich
00:25:19: mich damit oft selber? Habe ich die Fähigkeit kompensatorische Strategien auch einzusetzen?
00:25:24: – Was wäre das zum Beispiel? Eine kompensatorische Strategie?
00:25:27: – Na zum Beispiel, dass ich ein großes und gutes Repertoire habe an Möglichkeiten,
00:25:33: wo ich weiß, da komme ich wieder runter nach einem anstrengenden Arbeitstag.
00:25:36: – Und nicht nur unbedingt das Bier.
00:25:38: – Ja, das Bier kann eine Möglichkeit sein, ja, das möchte ich gar nicht als
00:25:42: schlechte Möglichkeit sehen, auch das ist wieder im Zusammenhang zu sehen,
00:25:45: ob ich auch noch andere Möglichkeiten habe. Kann ich zum Beispiel manchmal
00:25:49: blöd fernschauen? Irgendwelche Banalitäten mir im Fernsehen anschauen? Das bringt mich
00:25:54: runter. Kann ich vielleicht auch ein bisschen drüber reden mit anderen Menschen vielleicht,
00:26:01: was mich stresst? Meine Entspannungsmethode ist im Garten irgendwie herumzuschnipseln und
00:26:06: herumzuschneiden. Oder ich entspanne mich auch beim Wäschewaschen, sag ich jetzt ganz ehrlich.
00:26:11: – Ja ist ja auch angenehm, da muss man nicht so viel denken.
00:26:13: – Ganz genau. Also das mein ich. Nicht denken müssen, nicht nachdenken müssen, nicht analysieren
00:26:20: müssen, was es halt ist, wovon die Leute so ein bisschen einen Abstand brauchen. Radfahren… ganz
00:26:26: banale Dinge. Natur, Tiere,… ist ja wurscht was. Also je mehr und je unterschiedlichere
00:26:33: Möglichkeiten ich habe runterzukommen, eben mich zu entspannen, desto besser. Wenn dann in dieser
00:26:40: Bandbreite von Entspannungsmöglichkeiten mal eine sogenannte psychoaktive Substanz, wie das Bier
00:26:46: oder vielleicht auch was anderes enthalten ist, wo ich sage, okay, heute mache ich mir einmal
00:26:50: Bier auf nach einem anstrengenden Tag, aber am nächsten Tag sozusagen gehe ich laufen
00:26:57: oder greife auf irgendwas anderes zurück, wo ich ja mein Vegetativum runterfahren kann, dann ist,
00:27:02: würde ich das nicht als sehr problematisch sehen. Und ich finde, das wäre sogar auch eine,
00:27:06: wiederum eine Möglichkeit Kindern zu, auch hier den eigenen Kindern als Modell zu zeigen,
00:27:11: wie viele unterschiedliche Möglichkeiten es geben kann, Ausgleich zu schaffen. Viele Kinder
00:27:16: haben heutzutage allerdings das Problem, muss ich auch sagen, das könnte man vielleicht auch diesem
00:27:20: Vater so ein bisschen sagen, dass auch noch sie von den Eltern immer wieder Erwartungen ausgesetzt
00:27:26: sind, was sie denn tun sollen und wie die Freizeit zu gestalten ist und diese Tiger Moms…
00:27:32: – Wie heißt das, entschuldige?
00:27:34: – Die Tiger Moms.
00:27:37: – Was tun die?
00:27:38: – Ja die setzen auf Optimierung, auf maximales Optimieren der kindlichen Entwicklung.
00:27:44: – 15 Kurse.
00:27:47: – 15.000 Kurse, genau und maximale Förderung in allen Bereichen, das ist eigentlich,
00:27:53: würde ich sagen, da hab ich als Psychologe, Psychotherapeut starke Vorbehalte dagegen.
00:27:58: – Und das wollte ich eigentlich sagen: der Vorteil jetzt ist vielleicht,
00:28:03: meine Töchter haben beide keine Kurse, weil die finden gerade nicht statt und
00:28:07: ich denke mir Corona begleitet uns jetzt ein Jahr… Glaubst du, langfristig, dass,
00:28:13: weil viele sagen immer die armen Kinder, die werden geschädigt rausgehen und wir
00:28:16: Erwachsenen auch, dass wir mehr psychisch Erkrankte haben werden in drei Jahren?
00:28:23: – Also in drei Jahren da mach ich jetzt keine Prognose, ja, auch bei den Kindern,
00:28:27: wo ich den Überblick habe. Ich glaube, die gehen recht unterschiedlich damit um. Manche sind sehr
00:28:31: belastet, dass sie nicht mehr in die Schule oder in den Kindergarten gehen können. Für manche
00:28:36: überhaupt nicht, ja, es kommt natürlich auch ein bisschen auf die Situation an, wie sie zuhause
00:28:40: ist. Prinzipiell kann man sagen, je kleiner die Kinder sind, desto mehr reflektieren sie das, wie
00:28:46: es den Eltern geht. Also wenn die Eltern gestresst sind, sind die Kinder auch gestresst, ja.
00:28:49: – Wie klein sind die Kinder dann?
00:28:51: – Vor Kindergarten, Kindergarten, Volksschule auf jeden Fall, aber auch noch später natürlich. Man
00:28:58: ist den Eltern ganz stark ausgesetzt und kann sich dem oft nicht so ganz entziehen. Also natürlich
00:29:04: auch eine, eine höhere Anforderung jetzt an die Eltern aber es stimmt einfach. Je entspannter
00:29:09: ihr mit der Situation seid, desto mehr wird sich das… die Entspannung auch bei den Kindern
00:29:13: widerspiegeln. Und manche blühen auch auf muss ich ehrlich sagen, ja. Also manche Jugendlichen und
00:29:20: Kinder. Aber es ist… das trifft sicher nicht für alle zu. Was wir in der Psychotherapie allerdings
00:29:25: beobachten, und ich weiß nicht, wie langfristig dieser Effekt ist, ist dass wir großen Zulauf
00:29:30: haben zu den Psychotherapiepraxen. Also dieser grundlegende Stress, der so in der Gesellschaft
00:29:35: ist, der macht sich natürlich im belasteten Individuum, wo es vielleicht gewisse Vorbelastung
00:29:41: gibt, ganz besonders stark bemerkbar. Und ja, man kann sicher sagen, die psychischen Störungen, egal
00:29:48: welcher Ausprägung, Depressionen, Angststörungen, gewisse Aspekte der Angststörung muss man auch
00:29:54: sagen, weil für manche Angststörungen ist dieser Lockdown ja sogar eine Entlastung,
00:30:00: ich denke da an die sozialphobischen Menschen, die sich eigentlich jetzt richtiger fühlen als vorher,
00:30:05: entspannen sich interessanterweise in dieser Situation. Aber das ist nur ein kleiner
00:30:10: Ausschnitt. Generell steigt eher sozusagen das Stressniveau und drückt sich dann natürlich auch
00:30:16: in verstärkter, quasi klinischer Symptomatik aus. Wie lange das anhalten wird, kann ich
00:30:21: jetzt noch nicht beurteilen. Ich sage mal so, die Berichterstattung oder auch die, ich sag mal so,
00:30:26: die Hysterisierung dieses Themas in den Medien oder aber auch in den Diskussionen, die man
00:30:32: jetzt so führt, ist dieser Entwicklung natürlich überhaupt nicht dienlich, muss ich auch sagen.
00:30:36: Also diese aufgeregte, ständige neue Aufregung, wir werden da aufgewühlt in diesen Gesprächen und
00:30:43: diesen Berichterstattungen, ist natürlich nicht gut für die psychische Stabilität der Menschen.
00:30:49: – Weil ich denke mir, auch wenn ich dauernd darüber spreche, es wird so schlimm sein,
00:30:53: es wird so schlimm sein, es ist das Ärgste, ist das Ärgste und langfristig und langfristig
00:30:57: wird es so arge Folgen haben, dann glaube ich passiert das auch eher…
00:31:00: – Genau, so ist es ja.
00:31:03: – … das vielleicht nicht so schlimm sieht.
00:31:03: – Ganz exakt, das ist richtig. Weil man erwartet ja auch dann schon diese schlimmen,
00:31:08: diese schlimmen Folgen und dass es dann wahnsinnig schlimm ist, wenn man sich das,
00:31:12: wenn man das dauernd hört. Ich meine, die Situation ist, es ist eine absolute
00:31:16: Ausnahmesituation, man kann sie nicht, man kann sie nicht schönreden, aber man kann sich sehr
00:31:20: wohl überlegen, wie man darüber spricht und welche Geschichte man dazu sich zum Beispiel
00:31:25: erzählt. Also insofern… wie es in drei Jahren ist, das weiß ich nicht, das, da bin ich kein
00:31:30: Hellseher. Ich glaube, dass wir auch, also das ist jetzt sozusagen nur eine Vermutung von mir,
00:31:36: dass die psychische Aufarbeitung dieser Zeit eher lange dauern wird und zwar auch so ein
00:31:42: bisschen in dem Hinblick, wie sozusagen wir als Gesellschaft damit umgehen, wie solidarisch wir
00:31:49: mit dieser Herausforderung umgehen, oder wie eben unsolidarisch wir damit umgehen
00:31:53: – Auch wieder unsere Vorbildwirkung.
00:31:56: – Ja, so ist es, ganz genau. Nicht nur als Eltern, auch als sozusagen vielleicht Mensch an sich,
00:32:03: oder vielleicht auch zuständig für nicht nur für mich selber, sondern auch für den Umgang
00:32:11: mit meinen Mitmenschen, mit der Gemeinschaft, mit der Community an sich. Also da glaube ich,
00:32:18: wird im Moment ziemlich Porzellan zerbrochen, habe ich so ein bisschen den Eindruck, ja.
00:32:22: – Ich mag noch gern über unsere, über die Gefühle sprechen. Was ich mir auch als Mutter immer wieder
00:32:27: denke, dass ich es teilen soll, wie das Kind in seinem Wesen ist, also wie ich es empfinde
00:32:34: und wie sehr ich es liebe und wie sehr es sich aber verhält… also sein Verhalten ist,
00:32:39: weil ich denke mal, meine Töchter gehen mir ja auch wahnsinnig oft auf die Nerven,
00:32:43: das ist… manche Sachen bringen einen einfach zur Weißglut. Aber ich liebe sie trotzdem.
00:32:48: Und das ist immer wieder das, wo ich mir denke, das muss ich ihnen einfach oft sagen,
00:32:53: weil vielleicht schaffe ich es dann aber trotzdem, wie du uns geraten hast, auch
00:32:56: dann trotzdem mit der Aggression umzugehen oder sie auch anzunehmen und sie zu besprechen dann.
00:33:02: – Wenn du das sagst, also mir ist zum Beispiel aufgefallen, wie du das sagst.
00:33:05: – Na schau, ohje, jetzt werde ich gleich analysiert!
00:33:09: – Ja ich bin… ich werde ja in meiner beruflichen Funktion hier interviewt. Also du hast gesagt:
00:33:15: meine Töchter gehen mir manchmal auf die Nerven. Ich bin auch Vater, ich kann das
00:33:18: sehr gut nachvollziehen, aber es macht einen großen Unterschied, wirklich, auch im Zugang zu
00:33:22: den eigenen Kindern, ob man sagt: du gehst mir auf die Nerven oder: dein Verhalten geht mir auf die
00:33:28: Nerven oder: es geht mir auf die Nerven, dass du schon wieder den Geschirrspüler nicht ausgeräumt
00:33:32: hast, obwohl das eigentlich deine Aufgabe ist. Das macht einen ganz, ganz großen Unterschied,
00:33:37: ja, und das spüren auch… gerade Jugendliche sind da hochsensibel, ja, gerade so zu dem Thema was
00:33:42: hältst du von mir? Bin ich gut oder nicht gut? Und die beutelt es ja auch oft hin und her. Also auch
00:33:49: in dieser ganzen Auseinandersetzung, ob sie sich selber überhaupt mögen oder nicht mögen und ob
00:33:55: sie ihren Körper mögen oder nicht mögen. Die sind ja auch heftig gebeutelt. Sehr häufig zumindest.
00:34:00: Und die sind eigentlich fast ein bisschen darauf angewiesen, dass sie auch Eltern haben,
00:34:05: die diesen Unterschied wirklich gut kennen, zwischen Verhalten und Person und die Liebe
00:34:10: zum Kind, ja da kann man schon sagen, es wäre schon ideal, wenn die unerschütterlich ist,
00:34:14: völlig unabhängig vom Verhalten der Kinder, dass die auch einmal deppert sein dürfen. Wann darf man
00:34:20: deppert sein, wenn nicht im Jugendalter oder bis zum jungen Erwachsenenalter? Wann darf was schief
00:34:26: gehen? Wann soll man irgendwie auch die Grenzen austesten dürfen, wenn nicht in dieser Zeit? Wann
00:34:31: soll man durch sein Verhalten nicht dann auch mal die Eltern an den Rande der Verzweiflung bringen
00:34:36: können, wenn nicht in diesem Alter? Wann soll man nicht beobachten dürfen, wie die Eltern dann damit
00:34:41: umgehen und wie sie dann trotzdem zu mir stehen, bedingungslos, weil ich als Person einfach richtig
00:34:48: und gut bin für sie. Das ist natürlich nicht leicht für die Eltern, vor allem für die Eltern,
00:34:53: die sich vielleicht auf so eine paradiesische Vorstellung von Kindererziehung eingestellt haben,
00:34:59: aber es sind eigentlich auch auf der anderen Seite ganz, ganz wertvolle, ich sag mal Jahre
00:35:04: auch in der Eltern-Kind-Beziehung. Auch für die Zeit danach, wenn die Kinder dann ausgezogen sind,
00:35:09: da kann sich dann eigentlich die Qualität dieser Beziehung also sehr bewähren würde ich auch sagen.
00:35:14: Da fällt mir auch wieder dieser Vater ein. Ich sehe da auch ganz viele Chancen, wenn
00:35:20: er das so formuliert, dass er sagt: ich halte die Streitereien überhaupt nicht mehr aus, ich möchte,
00:35:24: dass es anders… ich möchte eigentlich nicht, dass wir uns alle verkriechen. Ich sehe da eine super
00:35:29: Chance, bei so einem Konflikt in der Familie eigentlich auch die Beziehungsqualität zu
00:35:35: verbessern und wenn sie schaffen sich nicht nur, sozusagen, in alle Himmelsrichtungen zu fliehen,
00:35:41: sondern wenn sie danach, wenn sie ein bisschen heruntergekommen sind es schaffen,
00:35:45: sich auch wieder zuzuwenden und vielleicht dann miteinander, und wenn die Kinder jugendlich sind,
00:35:50: dann kann man sie schon ein bisschen miteinbeziehen. Wie denkt ihr denn darüber,
00:35:54: wie wir mit solchen Problemen in der Familie umgehen sollen? Die werden vielleicht gar nicht
00:35:59: gleich mit Begeisterung ja sagen, das ist aber auch nicht so schlimm. Aber sie werden verstehen,
00:36:03: und dass gefällt auch Jugendlichen, auch wenn sie nicht mit innerer Überzeugung gleich:
00:36:08: ja Papa, das ist eine gute Idee, wenn wir jetzt darüber reden, wie wir das machen wollen! Aber
00:36:12: was Jugendliche trotzdem wollen: sie wollen ernst genommen werden, sie wollen wahrgenommen werden,
00:36:17: und sie wollen hören, dass die Eltern sich für sie interessieren. Und auch für sie interessieren,
00:36:23: wie sie mit Problemen und Schwierigkeiten umgehen. Auch wenn das ein anderer Weg ist,
00:36:27: als dass die Eltern vielleicht für sich selber getan hätten.
00:36:30: – Da können wir als Eltern wieder etwas lernen, dass aus jugendlicher Sicht zu sehen. Also meine
00:36:35: Zusammenfassung ist: wir sollen den Gefühlen Raum geben und eine Bühne geben und sich auch
00:36:41: dem stellen. Also mutig sein. Ich finde das Wort Mut kommt mir so in den Sinn,
00:36:45: auch für uns als Eltern zu artikulieren, ja da ist vielleicht was, was schief rennt,
00:36:50: aber wir müssen es uns anschauen, weil es… sonst gehen wir vielleicht in eine falsche
00:36:54: Richtung. Also dieses Scheinwerferlicht ist vielleicht ein gutes Bild zu sagen:
00:36:58: ja, Scheinwerferlicht ist auch manchmal sehr grell und nicht so angenehm aber beleuchten wir
00:37:03: die Gefühle und schauen sie uns an, weil wir haben durch die hier ein großes Spektrum kennengelernt.
00:37:08: – Ja, Mut gefällt mir sehr gut, dass du das sagst, genau. Mut zur Begegnung und vor allem
00:37:15: Mut zur Begegnung mit den Kindern, auch mit den Eltern natürlich, vor allem auch dann, wenn es
00:37:20: schwierig ist und wenn es nicht so geschmeidig läuft, vor allem dann, wenn Konflikte da sind.
00:37:24: Das ist ja auch das Schöne: in dem Begriff Konflikt steckt ja auch dieses Wort Kon drinnen,
00:37:30: das heißt ja "zusammen", "gemeinsam", ja. Also auch wenn es unterschiedliche Interessen gibt,
00:37:35: sich einem Konflikt zu stellen kann ganz viel… letztendlich auch ein Gefühl von
00:37:40: Zusammengehörigkeit schaffen, wenn man nicht davonläuft, und wenn man mutig ist,
00:37:45: sich dem zu stellen. Insofern hast du einen sehr schönen Begriff gewählt.
00:37:49: – Das freut mich. Also wir sagen hiermit Dankeschön an unsere Hörer und Hörerinnen!
00:37:55: Wenn Sie selbst Hilfe suchen, gibt es in Wien das Programm "Familien stärken",
00:38:00: das ist ein Programm vom Institut für Suchtprävention und Kolping Österreich,
00:38:03: das Familien mit Kindern im Alter von zehn bis 14 Jahren unterstützt,
00:38:08: eben mit Konflikten umzugehen. "Familien stärken" heißt das Programm. Ich freue mich
00:38:14: auf's nächste Mal! Danke Ernst für's dabei sein, für das gute Gespräch bei Donner.Wetter.Sucht.
00:38:20: Wenn Sie Beratung und Unterstützung suchen, dann wenden Sie sich unter der Telefonnummer
00:38:26: 01 205 552 502 an den Verein Dialog oder informieren Sie sich unter www.sdw.wien.
00:38:35: Dieser Podcast wurde finanziert vom Institut für Suchtprävention der
00:38:39: Sucht- und Drogenkoordination Wien und wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein Dialog produziert.
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