#10 - Ist Sucht vererbbar?

Shownotes

Gibt es eigentlich ein Suchtgen? Werden Kinder eher alkoholabhängig, wenn die Mutter während der Schwangerschaft Alkohol getrunken hat? Müssen Kinder von suchtkranken Eltern besonders geschützt werden und ab wann greift das Jugendamt ein?

Lisa Schindlauer, Leiterin der Mutter-Kind-Gruppe im Verein Dialog, erzählt aus ihrer Praxis und erklärt, wie und ob Sucht in Familien weitergegeben wird.

Für Beratung und Unterstützung wenden Sie sich unter der Telefonnummer 0043 1 – 205 552 – 502 an den Verein Dialog. Zahlreiche Informationen finden Sie unter www.isp.wien und www.mindbase.at


Folgen Sie uns auch auf Instagram: https://www.instagram.com/donner.wetter.sucht/


Moderation: Christina Scattolin Produktion: Isabella Ferenci (flowlabs.studio) Redaktion: Margit Bachschwöll (ISP), Nika Schoof (Verein Dialog) Technik und Jingle: Johannes Scherzer

Transkript anzeigen

00:00:03: Mein Name ist Christina Scattolin und ich frage im Podcast Donner.Wetter.Sucht was Eltern tun können,

00:00:10: wenn ihre Kinder im Erwachsenwerden Sex, Drugs and Rock'n Roll kennenlernen.

00:00:16: Kleine Vorschau: Verbieten alleine funktioniert meistens nicht.

00:00:21: Donner.Wetter.Sucht, der Podcast für Eltern und Erziehende.

00:00:29: Hallo zu einer neuen Episode von Donner.Wetter.Sucht! Wir sagen als Eltern oft und

00:00:37: gern: das hat mein Kind von mir, und meinen damit meist Eigenschaften, wie das Temperament oder

00:00:42: zum Beispiel die Begabung zum Singen. Aber kaum jemand sagt: ah, das muss mein Kind von mir haben,

00:00:48: und meinen damit zum Beispiel das Trinken von Alkohol oder das Rauchen. Dass wir in Österreich

00:00:54: aber gerne trinken und rauchen, das haben wir in anderen Folgen schon besprochen. Heute stellen

00:01:00: wir uns die Frage: Ist Sucht eigentlich vererbbar? Darüber werde ich mit unserer Expertin plaudern.

00:01:06: Wir sind wieder digital miteinander verbunden. Sie arbeitet seit 11 Jahren im Suchtbereich, sie ist

00:01:13: als Sozialarbeiterin in der Prävention und in der Beratung tätig. Sie ist Leiterin der Mutter-Kind

00:01:19: Gruppe im Verein Dialog und nebenberuflich Yogalehrerin. Willkommen, Lisa Schindlauer!

00:01:24: – Hallo Christina, vielen Dank für die Einladung, freue mich hier zu sein!

00:01:28: – Liebe Lisa, wir hören uns gleich, wie immer, die Nachricht auf unserer Podcastmailbox gemeinsam an.

00:01:34: – Ja hallo, da ist --------. Ich hätte gerne einen Rückruf von Ihnen und es geht darum,

00:01:42: dass ich drei Kinder habe und die Älteste, die Jasmin, die ist 15 und die ist unser Pflegekind.

00:01:49: Und jetzt ist es so, dass sie sich immer wieder trifft mit ihren Freundinnen, die Jasmin, im Park,

00:01:56: und ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dort auch immer wieder Alkohol trinken. Und

00:01:59: wir fragen uns jetzt ob sie nicht besonders gefährdet ist deswegen, weil die Jasmin kommt

00:02:06: aus einer Familie ursprünglich, ihre Eltern sind beide Alkoholiker, und ich hab da 'mal was gehört,

00:02:13: dass da auch so etwas wie eine genetische Belastung gibt. Vielleicht auch so etwas

00:02:17: wie ein Sucht-Gen. Und jetzt fragen wir uns, ob sie überhaupt was trinken darf,

00:02:22: ob wir nicht einmal mit ihr reden müssen darüber. Darum hätten wir gerne einen Rückruf, danke!

00:02:28: – Die Pflegemutter, die uns angerufen hat, hat Sorge,

00:02:33: dass ihre jugendliche Tochter auch zur Alkoholikerin wird. Sie meint,

00:02:38: es liegt in den Genen oder es muss doch ihrer Tochter in den Genen liegen, wenn

00:02:43: beide Eltern Alkoholiker sind. Meine erste Frage an dich, Lisa: gibt es das sogenannte Sucht-Gen?

00:02:49: – Da kann man die Pflegemutter ‘mal ganz eindeutig beruhigen,

00:02:53: nein. Also bis dato hat die Wissenschaft sozusagen kein Sucht-Gen identifizieren können. Vielmehr

00:03:00: geht es um die Sozialisation, also um das Aufwachsen unter bestimmten Bedingungen,

00:03:04: Verhältnissen und wir wissen ja, die Familie ist der erste und wichtigste

00:03:08: Ort der Sozialisation. Dort werden wir sozusagen für den Rest unseres Lebens geprägt und all das

00:03:15: sozusagen, was einem da widerfährt, auch an vielleicht traumatischen Erlebnissen,

00:03:18: Stresssituationen, das wäre sozusagen ein sehr komplexes Zusammenspiel,

00:03:24: wie eine Abhängigkeitserkrankung entsteht. Aber das Sucht-Gen in der Form gibt es nicht.

00:03:30: – Ich habe da etwas Interessantes gelesen, dass der Stand der Forschung ist,

00:03:34: dass Kinder von suchtkranken Eltern die größte bekannte Risikogruppe sind. Dass

00:03:40: sie selber eine Entwicklung haben einer Suchtstörung oder anderen psychischen

00:03:44: Störungen. Jetzt ist die Idee, das Thema Epigenetik ist ein großes…

00:03:49: Ist es jetzt dann epigenetisch vererbbar, wenn sie die größte bekannte Gruppe sind?

00:03:54: – Also Sucht ist ein sehr komplexes Geschehen, da muss ich ein bisschen ausholen, und nochmal

00:03:59: zu den Zahlen zurückzukommen. Der Michael Klein, ein recht renommierter Suchtforscher,

00:04:03: hat so eine Drittel Regel aufgestellt. Er sagt, ein Drittel der Kinder aus suchtbelasteten

00:04:06: Familien entwickeln selber eine Suchterkrankung, somit eine schwerwiegende psychiatrische,

00:04:11: psychische Erkrankung in dem Sinne. Ein Drittel der Kinder entwickelt leichte bis mittelgradige

00:04:17: Erkrankungen und ein Drittel ist sozusagen sehr resilient und entwickelt sich gesund,

00:04:22: trotz sozusagen, des Risikos der suchtbelasteten Familie. Viele Studien beschäftigen sich mit

00:04:31: Bindung, sozusagen und Bindungserfahrung in den ersten, in den ersten Lebensjahren und

00:04:35: der späteren Entwicklung einer Suchterkrankung und wenn ich da permanent sozusagen einem Gefühl

00:04:40: der Entbehrung und des Mangels ausgesetzt bin, wenn ich nicht adäquat abgeholt werde,

00:04:45: ich meinen Ängsten, in meinen Sorgen… gerade jetzt auch, wenn es um Neugeborenen

00:04:49: geht. Wenn ich alleine gelassen werde, wenn ich weine und da keine Sicherheit,

00:04:55: keinen Schutz und keine Geborgenheit erfahre, dass das sozusagen, das sehr

00:05:00: Problematische wäre. Wenn diese Bindung dieses Urvertrauen einfach auch massiv gestört wird.

00:05:05: – Jetzt würde ich gerne noch zu deiner Mutter-Kind Gruppe nämlich kommen, Lisa,

00:05:08: es kommen ja auch suchtkranke Mütter in deine Mutter-Kind Gruppe, das finde ich sehr spannend.

00:05:14: Magst du uns von der Mutter-Kind Gruppe erzählen? Wie geht es denn den suchtkranken Müttern,

00:05:20: ihren Kindern? Weil hier, in unserem Fall, haben wir die Pflegemutter, das heißt das

00:05:24: Kind ist nicht mehr bei den leiblichen Eltern, aber es heißt ja nicht, nur weil ein Elternteil

00:05:29: Alkoholiker, Alkoholikerin ist, dass die Kinder automatisch weggenommen werden von der Familie.

00:05:35: – Gott sei Dank, sozusagen, ja. Also Sucht bedeutet nicht gleich, dass man

00:05:42: nicht ausreichende elterliche Kompetenzen hat, ja. Ich kenne mittlerweile sehr viele

00:05:46: suchtkranke Mütter im Laufe meiner elfjährigen Tätigkeit als Sozialarbeiterin im Suchtbereich,

00:05:51: und ich habe sehr liebevolle und ja, sozusagen wirklich kompetente Mütter kennengelernt,

00:05:57: die sich sehr bemühen, sozusagen alles richtig zu machen und alles richtig machen. Denn es

00:06:01: ist ja auch egal, ob suchtkrank oder nicht, das ist ein hoher Anspruch in der Erziehung,

00:06:06: alles richtig zu machen. Aber um auf die Mutter-Kind Gruppe zu sprechen zu kommen:

00:06:10: also diese Mutter-Kind Gruppe richtet sich an vorwiegend opiatabhängige Mütter.

00:06:14: Und in Wien allein werden auch 80 bis 85 Kinder pro Jahr geboren.

00:06:20: – Erkläre uns opiatabhängige Mütter!

00:06:22: – Genau, also das sind Frauen, die Opiate konsumiert haben, Heroin oder vielleicht

00:06:28: auch schon sozusagen mit den Substitutionsmitteln… Also Opiate sind die eigene… die einzige Substanz,

00:06:34: die man auch ersetzen kann, sozusagen durch ein Medikament, die Opioid-Substitution. Die

00:06:42: sind dann sozusagen in dieser Behandlung, bekommen das Medikament in der Apotheke,

00:06:45: wird ärztlich verschrieben, ganz, ganz streng, also recht streng ärztlich überwacht und

00:06:51: kontrolliert und in Wien werden eben 80 bis 85 Kinder geboren im Jahr, und da versuchen

00:06:57: wir sozusagen recht früh, eigentlich gleich nach der Geburt, die Mütter in die Gruppe einzuladen,

00:07:02: um sozusagen auch die Erziehungskompetenz und das elterliche Selbstvertrauen zu stärken. Da geht

00:07:08: es auch ganz viel um Mentalisierungsfähigkeit, also im Sinne von: wie kann ich mich dann in die

00:07:14: Bedürfnisse meines Kindes hineinversetzen und dadurch entsprechend reagieren und ein großes

00:07:21: Ziel ist einfach auch die Bindung zu stärken, ja. Wir haben schon gesprochen, sozusagen,

00:07:25: es gibt einen großen Zusammenhang zwischen Bindungsstörungen und dann dem späteren Entwickeln

00:07:30: einer Sucht und deswegen ist es unser Ziel auch viel zu spiegeln, sozusagen die Bedürfnisse der

00:07:36: Kinder vielleicht anzusprechen, um den Müttern, wenn sie da vielleicht auch selber schwierige

00:07:41: Bindungserfahrungen gemacht haben, sie da einfach ein bisschen genauer zu begleiten und zu stärken.

00:07:47: – Das heißt das sind Mütter, mit dementsprechend kleinen Kindern?

00:07:50: – Ja, genau. Also wir hatten schon ein drei Wochen altes Baby und die Gruppe

00:07:56: geht so bis zum 14. Lebensmonat. Wir treffen uns alle zwei Wochen und zu unterschiedlichen Themen.

00:08:02: Also grundsätzlich sind es alle Themen, die alle Mamis irgendwie beschäftigen, mit dem Vorteil,

00:08:06: dass sie halt die Suchterkrankung nicht ausklammern müssen. Wir können recht offen

00:08:10: sprechen, wenn es einmal nicht so gut geht, wenn vielleicht einmal der Gedanke nach Konsum

00:08:15: aufkommt. Viel Thema ist natürlich auch Schuld und Scham, so wenn das Baby dann

00:08:20: auch einen Entzug hatte, genau, das neonatale Entzugssyndrom und dann längere Zeit auch im

00:08:26: Krankenhaus bleiben musste, belastet das die Mütter sehr und sie haben ein massiv

00:08:30: schlechtes Gewissen. Und da versuchen wir einfach auch ein bisschen das aufzuarbeiten.

00:08:35: – Und wie gehen diese Geschichten zumeist aus? Wenn ich mir das jetzt vorstelle, geht es den

00:08:40: Müttern, den Kindern dann langfristig gut, wenn du sie nach eineinhalb Jahren dann verabschiedest?

00:08:44: – Ja, man muss leider sagen es ist von bis. Also jetzt war gerade ein Durchgang der letzten

00:08:52: Mutter-Kind Gruppe und da wurde ein Kind auch abgenommen, also jetzt im ersten Lebensjahr,

00:08:57: weil es einfach zu einer Suchtverlagerung kam, bei der Mutter, die hat dann Alkohol zu trinken

00:09:02: begonnen, in einem Ausmaß, das einfach sozusagen die Erziehungskompetenz nicht mehr gegeben war.

00:09:06: Es ist ja schon noch auch so, dass wenn ich beeinträchtigt bin permanent braucht man es

00:09:10: vielleicht auch gar nicht im Bereich Sucht denken, aber wenn man massiv verkatert ist,

00:09:13: vielleicht ist das schon mal vorgekommen, und man hat kleine Kinder, ja… wie es einem da am nächsten

00:09:18: Tag geht, wie emotional schwingbar man ist, wie viel Nerven man hat vielleicht etwas zu erklären,

00:09:23: oder etwas zu spielen. Und wenn man recht beeinträchtigt ist, stark beeinträchtigt ist,

00:09:28: habe ich einfach nicht mehr die Kapazitäten, sozusagen die Bedürfnisse und auch die

00:09:33: Gefühlslagen und auf die Emotionen meines Kindes dementsprechend einzugehen. Ja, darum habe

00:09:37: ich auch anfangs gesagt: Suchterkrankung ist nicht gleich nicht ausreichende elterliche Kompetenz,

00:09:42: weil wenn ich sozusagen stabil in dieser Substitutionsbehandlung bin, bin ich auch

00:09:46: nicht beeinträchtigt. Da bin ich recht wach und klar und kann demnach allem nachkommen,

00:09:52: sozusagen, ja. Wenn ich massiven Konsum habe und sehr, sehr sehr beeinträchtigt bin,

00:09:56: da geht es ja auch dann um andere Dinge, ja. Gefahren abwenden. Ich bin einfach

00:10:01: weniger reaktionsfähig, wenn mir das Kind irgendwo runter rollt oder wohin läuft und

00:10:06: ich dann nicht nachkomme oder so. Da sind wir dann auf einer anderen Ebene, aber…

00:10:11: – Wie schnell werden Kinder oder werden Kinder in

00:10:15: Österreich abgenommen, das nennt man glaube ich so?

00:10:17: – Genau, das nennt man so. Also die Wiener Kinder- und Jugendhilfe versucht das sozusagen als letztes

00:10:25: Mittel zu nehmen. Vorab versuchen sie mittels UdE, also der Unterstützung der Erziehung,

00:10:31: sogenannte Auflagen, rechtlich bindende Auflagen, auch die Mütter,

00:10:35: die Familien zu stützen. Da kommen… da kommt dann die Familienhilfe in den Haushalt,

00:10:41: oft drei Mal in der Woche für mehrere Stunden, es gibt vielleicht die Auflage zum Verein Dialog zu

00:10:45: kommen oder Psychotherapie in Anspruch zu nehmen. Also wirklich das ist das letzte Mittel, weil

00:10:50: man ja schon per se weiß so eine Kindesabnahme kann einfach auch sehr traumatisierend sein.

00:10:56: Es kommt zu einem Beziehungsabbruch und von dem her versucht sozusagen die Wiener Kinder-

00:11:02: und Jugendhilfe schnell zu handeln, wenn sie das Gefühl haben, es geht sich gar nicht aus,

00:11:05: ja. Also wenn wirklich eher in den ersten Lebenswochen, Lebensmonaten, manchmal ist es

00:11:10: auch während der Schwangerschaft schon klar, dass das einfach aufgrund der psychischen Stabilität

00:11:14: oder Instabilität in dem Fall es einfach nicht sozusagen, das Kindeswohl nicht gewährleistet

00:11:20: werden kann. Manchmal ist es dann leider auch so, dass es später passiert, also bei meiner Klientin

00:11:25: jetzt ist das genau, ist da Kind ein Jahr alt gewesen, weil die Kinder werden dann auch

00:11:30: autonomer sozusagen, sie setzten oft ihren eigenen Willen durch, es ist ein bisschen anstrengend. Sie

00:11:35: beginnen zu laufen, sie beginnen irgendwo Dinge zu erreichen, ja. Aber in der Regel versucht das

00:11:41: Jugendamt das schnell zu tun, eben um sozusagen diese Bindung und diese traumatischen Erlebnisse,

00:11:46: also den Beziehungsabbruch eher frühzeitig passieren zu lassen, um sich dann in der

00:11:51: neuen Familie einfach gut, oder gut angekommen zu können, aber es passiert in jedem Alter de facto.

00:11:56: – Ich habe einen extrem hohen Respekt vor Pflegeeltern. Ich finde das grandios zu sagen,

00:12:04: ich stelle mich dem, ich nehme ein Kind auf, weil in meiner Wahrnehmung und denke bitte erkläre mir

00:12:11: das, ist es so, dass es ja sein kann, dass ich dieses Kind vielleicht drei Jahre begleite und

00:12:17: dann geht es den Eltern wieder gut und dann ist es nicht mehr mein Kind und ich muss es zurückgeben.

00:12:22: Klingt so komisch, aber wie oft passiert das, dass es wieder zurückgeht, wie ist das so?

00:12:27: – Sehr selten, eigentlich. Weil das Jugend- es mir auch letztens bewusst geworden bei einer

00:12:34: Fallkonferenz und da ist eben das Kind sehr kurz bei der Krisenpflege sogar untergebracht und da

00:12:40: wurde in dem Gespräch schon sehr deutlich, dass das Jugendamt und die Kolleginnen dort wirklich

00:12:44: dann eine funktionierende Bindung, Beziehung nicht leichtfertig wieder sozusagen unterbrechen und zur

00:12:51: Mutter, zu den leiblichen Eltern zurückführen. Da wird wirklich sehr genau darauf geachtet,

00:12:55: wie eingebunden ist dieses Kind und was wäre das jetzt wieder für eine Traumatisierung,

00:13:00: es da raus zu nehmen. Es kommt auch ein bisschen darauf an, bestand sozusagen Kontakt? Haben

00:13:07: sich die leiblichen Eltern bemüht, die Besuchskontakte einzuhalten? Wie stark

00:13:11: ist der Grad der Beeinträchtigung? Wie es der Konsum? Welche Dinge sozusagen von den Auflagen,

00:13:17: die auch das Jugendamt gestellt hat, wurden eingehalten? Das ist, ja. Also

00:13:25: da muss man schon auch viel tun und viel schaffen sozusagen als leibliche Eltern, dass die Kinder

00:13:30: zurückgeführt werden. Aber es passiert schon. Also im vorletzten Durchgang in der Mutter-Kind Gruppe

00:13:33: hatten wir eine eine Mutter, wo das Kind ein Jahr ca. bei den Pflegeeltern war und

00:13:40: dann zurückgeführt wurde. Aber das ist eher die Ausnahme, muss man schon sagen.

00:13:43: – Naja, weil ich sehe das bei einer Freundin von mir, die hat zwei Pflegekinder

00:13:47: aus unterschiedlichen Familien und die ist jedes Mal sehr nervös, wenn es darum geht,

00:13:52: sie treffen wieder die Eltern. In dem einen Fall ist es die Mutter, und in dem anderen Fall der

00:13:56: Vater. Und ich bin da irgendwie so gefühlsmäßig dabei und denke mir, es muss doch jedes Mal so

00:14:02: wahnsinnig aufregend sein, nicht zu wissen, bleibt es bei mir oder nicht. Aber so wie

00:14:09: ich an einer Reaktion sehe, ist es eigentlich nicht so, dass die Kinder wieder zurück gehen.

00:14:13: – Also man wird ja auch darauf vorbereitet in den Kursen und in der Auseinandersetzung ein

00:14:17: Pflegekind zu nehmen. Dennoch, sozusagen ja, wie du sagst, die Vorbereitung in der Theorie

00:14:22: hilft natürlich dann nicht, wenn ich sozusagen liebe, wenn ich dieses Kind beginne zu lieben

00:14:26: und Verantwortung übernehme und es einfach Teil meiner Familie, meines Lebens geworden ist. Also

00:14:32: ich habe da auch sozusagen vollen Respekt vor Pflegeeltern. Es gibt ja auch immer zu

00:14:37: wenige. Also wir haben einen Pflegeeltern-Mangel in Österreich. Aber ja, die Gefahr besteht,

00:14:44: das Risiko besteht. Aber was, also was meine Erfahrung sagt, passiert es sehr selten.

00:14:49: – Und jetzt ist mir… Das ist gut einerseits und jetzt bin ich so im Gedanken nämlich

00:14:54: weitergegangen und hab mir gedacht, ja gut, dann geht es den Kindern gut,

00:14:57: sowie das Mädchen, das jetzt hier sehr behütet ist, aber wie schafft es jetzt diese Mutter

00:15:04: ihr Kind langfristig zu schützen, wenn es gut beschützt in der Familie ist,

00:15:09: dass es eben nicht zur Alkoholikerin selber wird? Weil du hast eingangs gesagt,

00:15:14: die Entwicklung von Sucht ist da schon sehr komplex. Darauf würde ich gerne eingehen noch.

00:15:19: – Es geht ganz, ganz wesentlich um die sogenannten Lebenskompetenzen,

00:15:23: ja. Und da setzen wir auch in der Suchtprävention an und in der Beratung, in der Behandlung, das

00:15:28: Individuum sozusagen zu stärken. Suchtprävention beginnt bestenfalls ab Geburt, de facto,

00:15:35: genauso die Gewaltprävention oder Prävention psychiatrischer, psychischer Erkrankungen. Es

00:15:40: geht wirklich ganz, ganz stark darum sozusagen, wie ist meine Selbstwirksamkeitserwartung,

00:15:46: ja. Vertraue ich mir selber? Wie geht es meinem Selbstwert? Wie kann ich Beziehungen… mich auf

00:15:51: Beziehungen einlassen? Diese pflegen und adäquat beenden? Kann ich kommunizieren? Wie schaut

00:15:58: es mit der Frustrationstoleranz aus? Welche Antworten sozusagen habe ich auch auf Stress?

00:16:02: – Als Eltern jetzt, meinst du?

00:16:03: – Als Individuum, als Kind sozusagen. Und da muss man halt sagen, ja, wenn das Mädchen

00:16:10: jetzt jugendlich ist, sozusagen ist… ist es sehr wahrscheinlich die größte Arbeit schon passiert,

00:16:15: ja, weil die Pflegemutter ihre Tochter, ihre Pflegetochter sehr wahrscheinlich mit

00:16:19: alldem ausgestattet hat, ja. Allein sozusagen, wie sie sie erzogen hat,

00:16:23: wie sie mit ihr umgegangen ist. Wie viel Liebe sie erfahren hat, wie ernst ihre Bedürfnisse

00:16:29: und Sorgen genommen wurden. Also da sozusagen ist schon viel passiert. Es ist auch die Frage,

00:16:36: was sieht denn da meine Tochter, ja. Wie gehe ich denn selber um mit Stress und Anforderungen,

00:16:40: die mir das Leben stellt? Und uns allen werden permanent Anforderungen gestellt im Leben. Es

00:16:44: ist schon mal okay ein Glas Wein zu trinken am Abend, aber ich sollte da auch noch vielleicht

00:16:47: Yoga machen können, oder ein Gespräch suchen, oder eine heiße Badewanne, Dusche laufen…

00:16:51: machen können. Es geht immer so ein bisschen um die Vielfalt der Bewältigungsstrategien,

00:16:56: die wir zur Verfügung haben und da kann die Mutter schon auch sozusagen ansetzen und schauen,

00:17:02: was hat ihr denn früher gut getan, denn früher Spaß gemacht, gemeinsame Aktivitäten vorschlagen.

00:17:07: – Also diese schöne Modellwirkung, von der man auch immer wieder hört und wir auch

00:17:11: in unserem Podcast immer wieder gesagt haben, wir Eltern müssen uns anschauen,

00:17:15: wie wir damit umgehen. Und ich glaube, so wie ich das heraushöre,

00:17:20: sollte die Mutter weg von der Sorge gehen, dass ihr Pflegekind das jetzt in den Genen

00:17:26: hat. Lisa, wie sieht es mit Rauchen und Alkoholkonsum in der Schwangerschaft aus?

00:17:30: – Also jede nicht gerauchte Zigarette in der Schwangerschaft ist wirklich gut.

00:17:34: Zigarette enthält vielerlei Schadstoffe, es gibt Entwicklungsverzögerungen durch den Kohl– durch

00:17:41: das Kohlenmonoxid, das sozusagen beim Rauchen entsteht. Und wir wissen ja auch, das Ungeborene

00:17:45: ist mit… durch die Nabelschnur und den Blutgefäßen mit der Mutter verbunden und durch das Rauchen

00:17:50: kommt es einfach zu einem Sauerstoffmangel und dann auch zu einer Unterversorgung mit Nährstoffen

00:17:53: und dann gibt's Frühgeburten oder auch Babys, die viel zu klein auf die Welt kommen. Also die

00:17:59: negativen Auswirkungen des Nikotinkonsums während der Schwangerschaft werden definitiv unterschätzt.

00:18:05: – Also es ist weniger ein Entzug, auf dem ich wäre,

00:18:07: wenn ich aufhöre zu rauchen, es ist schlimmer, wenn man raucht.

00:18:10: – Genau. Jede nicht gerauchte Zigarette ist wirklich, wirklich, wirklich wichtig und das

00:18:15: würde ich mir auch wünschen, dass das bei den Gynäkologen und Gynäkologinnen ankommt, ja. Und

00:18:19: Alkohol ist definitiv sozusagen die schädlichste Substanz während der Schwangerschaft. Auch da

00:18:26: erlebe ich das, oft auch in den Akademikerkreisen, so ein bisschen jetzt, ah ja ein Glas oder so zum

00:18:31: Anstoßen, zum Geburtstag oder Jahrestag schadet ja nicht. Das Ding ist halt, dass wir nicht genau

00:18:36: wissen, wann sich beim Ungeborenen… was gerade an neuronalen Netzwerken sich zusammenschließt.

00:18:41: Und dass, wenn ich das Pech habe und in dem Moment trinke, kann es einfach auch zu

00:18:47: Entwicklungsverzögerungen kommen. Kann, ja, muss es nicht! Ich denke mir, so viele Freundinnen,

00:18:53: Freunde… also nicht Freunde! Freundinnen! Wussten oft die ersten drei Monate nicht,

00:18:58: dass sie schwanger sind und haben da getrunken und haben gesund und

00:19:03: gesund entwickelte Kinder zur Welt gebracht. Ob es diverse Lernschwierigkeiten, Defizite

00:19:08: später geben wird, ist auch noch nicht absehbar, aber auch da finde ich, könnten Gynäkologen und

00:19:15: Gynäkologinnen ein bisschen besser aufklären. Auch beim Mutter- Kind Pass, da fällt mir auf:

00:19:18: ah, Sie trinken eh nicht, gell? Und dann wird das Hakerl gemacht und es wird nicht näher exploriert,

00:19:22: weil es ja bei Frauen, die ein Problem haben, natürlich sehr schambesetzt ist.

00:19:26: – Also es wird jetzt nicht angeschaut, oh übrigens, wir reden darüber, auch der Gynäkologe,

00:19:30: wenn du sagst explodieren heißt ja darüber reden, und einmal nachfragen. Und das weiß

00:19:36: ich noch, dass mein Gynäkologe bei meinen beiden Schwangerschaften Witzigerweise,

00:19:40: meine erste Schwangerschaft ist länger her logischerweise, hat er nichts gesagt,

00:19:44: aber bei der zweiten war… dürfte er eine neue Studie gelesen haben und hat gesagt:

00:19:48: ich lege Ihnen ans Herz wirklich nichts zu trinken. Und beim Ersten war er noch so ein

00:19:53: bisschen: hmmm. Ich glaube auch früher war das so, da hat man ein bisschen getrunken.

00:19:56: – Ja, gell. So wie dieses Achterl Rotwein anscheinend immer noch gesund ist, hält sich das,

00:20:04: dass man denkt, ja ein Glas Prosecco kann so schlimm nicht sein. Und es findet statt,

00:20:08: ja, das wissen wir alle. Manchmal eben ist eine Schwangerschaft sozusagen noch nicht… man weiß

00:20:12: noch nichts davon, in den ersten paar Wochen und trinkt, aber wie gesagt, also wenn man es weiß und

00:20:18: verhindern kann: ganz, ganz wichtig: Alkohol ist wirklich die schädlichste Substanz für den Fötus.

00:20:24: – Lisa, weil wir über das Wort Scham gesprochen haben. Wenn Mütter dann nach überwundener Sucht

00:20:31: mit ihren Kindern sind, und dann sich vielleicht denken, ma jetzt kommt mein Kind in die Schule,

00:20:35: hat es jetzt einen Schaden davon, weil ich früher alkoholabhängig, heroinabhängig war? Wie gehen

00:20:41: die mit diesem Schamgefühl, mit dieser Schuld vielleicht auch, die sie in sich tragen, um?

00:20:45: – Also ich finde es schon mal gut, wenn man es selbst überhaupt ansprechen kann,

00:20:49: ja. Mal überhaupt zu dem Thema zu kommen. Und ich versuche dann schon sie zu entlasten und zu sagen:

00:20:55: wissen Sie, jeder handelt halt in dem Moment im Rahmen seiner, ihrer Möglichkeiten, ja. Sie haben

00:21:00: nicht getrunken, um dem Kind per se zu schaden, ja. Sie haben getrunken, weil Sie abhängig waren,

00:21:04: ja. Sucht ist eine Erkrankung, um wieder zu dem Suchtbegriff zu kommen. Und auch diese moralische

00:21:10: Vorstellungen in der Gesellschaft, dass es selbst verschuldet ist. Ich finde es dann… Ich lade dann

00:21:16: die Mutter auch ein, wenn sie wirklich auch die Stärke aufbringen können, da hinzuschauen und

00:21:22: wenn es irgendwelche Verhaltensauffälligkeiten gibt, es einfach abklären zu lassen, ja. Es

00:21:26: gibt Entwicklungsambulanzen, es gibt Kinder- und Jugendpsychiater*innen… Also wenn mal wirklich

00:21:30: große Sorge besteht, das abklären zu lassen, zu schauen, ja. Ohne jetzt auch überaufgeregt zu

00:21:35: sein. Und dieses Schuld-, Schamthema auch dann im Beratungskontext oder therapeutisch auch zu

00:21:41: bearbeiten, zu besprechen und eh, ganz simple, ganz im Sinne von: ja, Sie haben es nicht getan,

00:21:46: um ihrem Kind zu schaden, es war keine Böswilligkeit, Mutwilligkeit. Und Sie einzuladen,

00:21:52: eben hinzuschauen. Es ist ja schon so, dass gerade das FAS, das fetale Alkoholsyndrom…

00:21:59: – Was, entschuldige, was hast du da gesagt? Das fetale Alkoholsyndrom? Sag' mir das nochmal.

00:22:05: – Genau. Also es gibt sozusagen eine Langzeitwirkungen oder eine Erkrankung, das wäre

00:22:13: FASD oder FAS, das fetale Alkoholsyndrom, wenn die Mutter in der Schwangerschaft getrunken hat und

00:22:20: das wird häufig sozusagen nicht diagnostiziert, weil eben der Konsum in der Schwangerschaft

00:22:25: verheimlicht wird, ja, weil es einfach ein Tabu ist. Und würde man sozusagen aber das wissen,

00:22:33: dass die Mutter getrunken hat, könnte man einfach entwicklungsspezifische Störungen besser zuordnen

00:22:38: und da kann man ganz, ganz viel ausgleichen, ja. Mit Ergotherapie, mit Logopädie, einfach mit

00:22:43: Frühförderung für dieses Kind, wenn es bekannt ist. Und in dem Sinne ermutige ich die Mütter,

00:22:49: lade sie ein, versuche halt wirklich da sehr wertfrei darüber zu sprechen, es wie auch jede

00:22:56: andere Erkrankung anzusehen, ja. Ich denke mir, wenn die Mutter Krebs hatte in der Schwangerschaft

00:23:00: oder was auch immer, eine andere Krankenbehandlung gebraucht hat, oder eine Freundin von mir hat so

00:23:05: starke Migräne, ja. Die hat auch Medikamente nehmen müssen, weil sie hat es einfach nicht

00:23:09: ausgehalten. Und da einfach auch ein bisschen den Vergleich wieder zu anderen Erkrankungen

00:23:13: zu machen, nimmt die Schuld nicht, ja. Man kann jetzt nicht die Schuld wegschnipsen, aber genau,

00:23:20: wertfrei sozusagen, vorurteilsfreie Kommunikation und Beratung anbieten, das wäre mein Zugang.

00:23:27: – Also wir halten fest, Lisa, es gibt kein Sucht-Gen, darüber müssen wir uns

00:23:34: keine Gedanken und Sorgen machen. Es ist vielmehr diese Vorbildwirkung,

00:23:37: die wir immer wieder auch schon angesprochen haben jetzt bei Donner.Wetter.Sucht und auch

00:23:43: dieses Problem mit Alkohol sich vielleicht anzuschauen. Man muss ja nicht gleich mega

00:23:48: süchtig sein, aber vielleicht trotzdem einen schwierigen Zugang vielleicht als Eltern haben,

00:23:53: und sich selber auch vielleicht so einen Rahmen geben, Modelle überlegen und im Gespräch bleiben.

00:24:00: – Ja, es auch beobachten. Also beobachten und dann auch vielleicht kleine Schritte der Veränderung

00:24:04: setzen. Also sagen: wir schauen es uns jetzt mal drei Wochen an, dann reden wir nochmal drüber.

00:24:08: Dran bleiben, dran bleiben, dran bleiben. Hinschauen, ja. Das raten wir allen Eltern.

00:24:14: Aber halt auch ein bisschen dieses Loslassen üben und auch die Adoleszenz und auch diese

00:24:20: Trennung oder Ablösung vom Elternhaus ist sozusagen aus bindungstheoretischer Sicht

00:24:23: sozusagen auch eine vulnerabel Phase, ja. Und da brauchen sie noch eine sichere Basis, aber auch

00:24:29: sollten sie ein stückweit Reibungsfläche sein, die Eltern, dass dieser Ablösungsprozess gelingt.

00:24:34: – Und nicht zu vulnerabel, also nicht zu schmerzvoll vielleicht wird. Aber das kann

00:24:38: man ja nie wissen, wenn man auch an die eigene Jugend zurückdenkt. Aber in dem Sinne sage

00:24:44: ich danke! Wir bleiben bei der Basis auch der Gefühle und ich sage dir danke fürs Gespräch,

00:24:50: Lisa. Und rufen Sie uns an, liebe Hörerinnen, liebe Hörer unter 0 1

00:24:56: 205 552 502. Da ist unsere Mailbox unsere Donner.Wetter.Sucht Mailbox für Sie rund um

00:25:03: die Uhr offen und zu hören und wir freuen uns auf Ihre Anfragen. Dankeschön, bis zum nächsten Mal!

00:25:11: Wenn Sie Beratung und Unterstützung suchen, dann wenden Sie sich unter der Telefonnummer

00:25:16: 01 205 552 502 an den Verein Dialog oder informieren Sie sich unter www.sdw.wien.

00:25:25: Dieser Podcast wurde finanziert vom Institut für Suchtprävention der

00:25:30: Sucht- und Drogenkoordination Wien und wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein Dialog produziert.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.