#01 - Wann ist das erste Bier okay?

Shownotes

In Österreich gehört es fast schon zum guten Ton, Alkohol zu trinken. Aber muss das sein? Ist es überhaupt möglich, Jugendliche ganz vom Alkohol fern zu halten oder sind erste Rauscherfahrungen vielleicht sogar wichtig? – Wir sprechen mit Cornelius Bacher-Gneist, Soziologe und Sozialarbeiter, vom Verein Dialog.

Für Beratung und Unterstützung wenden Sie sich unter der Telefonnummer 0043 1 – 205 552 – 502 an den Verein Dialog. Zahlreiche Informationen finden Sie unter www.isp.wien und www.mindbase.at


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Moderation: Christina Scattolin Produktion: Isabella Ferenci (flowlabs.studio) Redaktion: Margit Bachschwöll (ISP), Nika Schoof (Verein Dialog) Technik und Jingle: Johannes Scherzer

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00:00:00: Mein Name ist Christine Scattolin und ich frage im Podcast Donner, Wetter, Sucht, was Eltern

00:00:09: tun können, wenn ihre Kinder im Erwachsenwerden Sex, Drugs, and Rock'n Roll kennenlernen. Kleine

00:00:16: Vorschau: verbieten alleine funktioniert meistens nicht. Was man besser bei Kiffen, Onlinesucht

00:00:23: oder Trinken tun sollte, frage ich Menschen, die von Berufs wegen in der Suchtprävention arbeiten

00:00:28: oder auch solche, die Hilfe leisten, wenn es schon eine richtige Sucht zu bewältigen gibt.

00:00:33: Donner, Wetter, Sucht – der Podcast für Eltern und Erziehende.

00:00:41: Soll ich meinem Sohn das Handy wegnehmen? Das ist eine Frage, die sich sicher schon ein,

00:00:50: zwei Eltern gestellt haben und ich habe hier eine Expertin bei mir im Studio,

00:00:54: die Beraterin ist, beim Verein Dialog.

00:00:57: Hallo Nika Schuf, herzlich willkommen! – Hallo.

00:01:00: – Du hast eine aktuelle Anfrage mitgebracht, eine Anfrage einer Mutter, hören wir da mal rein.

00:01:05: Bitte stellen Sie Ihre Frage nach dem Signalton. – Ja hallo, ich ruf' an wegen meinem Sohn,

00:01:12: der ist 14 und er spielt den ganzen Tag auf dem Handy. Wir sind vor ein paar

00:01:17: Monaten nach Wien gezogen und er ist jetzt auf einer neuen Schule aber ich glaube,

00:01:22: er fühlt sich eh ganz wohl dort. Er geht auch fast jeden Tag hin, manchmal

00:01:25: verschläft er, aber sonst ist er dort und er verschläft halt, weil er oft bis in die Nacht

00:01:30: hinein spielt und am Handy ist. Und wenn ich ihn dann darauf anspreche, dann schreit er mich

00:01:35: nur an und sagt ich soll mich aus seinem Leben raushalten und so weiter. Also ich weiß nicht, ist

00:01:40: er vielleicht schon süchtig? Was tue ich jetzt? Soll ich ihm einfach das Handy wegnehmen?

00:01:43: – Fragen wir gleich diese Frage als erstes. Soll diese Dame ihrem Sohn das Handy wegnehmen?

00:01:51: – Sie kann es probieren. Die Frage ist, ob es funktioniert. Also einem Kind im Volksschulalter,

00:01:57: da kann ich das wahrscheinlich noch ganz gut, bei einem Jugendlichen ist es

00:02:01: wahrscheinlich schon sehr, sehr schwierig. – Ich höre raus, Handy wegnehmen ist jetzt

00:02:05: nicht so deine Devise. Was gibt es als Alternative?

00:02:07: – Also schauen wir uns vielleicht einmal an, ab wann ist es Sucht, ja,

00:02:12: weil das ist schon wichtig, auch zu schauen, ist es quasi problematisch oder ist das ein

00:02:18: normales Verhalten, das halt Jugendliche an den Tag legen? Ist das ein Hobby?

00:02:22: Um abzugrenzen, ob es ein süchtiges Verhalten ist, schauen wir uns in der Beratungsstelle an:

00:02:30: kann der Konsum kontrolliert werden, also können Regeln eingehalten werden? Oder Ziele,

00:02:34: die sich die Kinder auch selber stecken? Wie schaut's aus mit Pflicht? Suchen die

00:02:40: Kinder ständig Ausflüchte oder kommen die ihren Pflichten nach,

00:02:44: sei es zu Hause oder in der Schule oder in der Arbeit? Das Dritte ist: wie schaut's aus

00:02:49: mit anderen Hobbys? Werden die noch gepflegt und auch: wie geht es denen, wenn sie nicht

00:02:55: spielen können oder wenn sie nicht ans Handy können? Ja, also das wären so klassische Fragen,

00:03:00: die wir uns anschauen, und da geht es natürlich auch darum, wie lang ist das beobachtbar.

00:03:05: – Und wie erhebe ich das? Gibt es einen Fragebogen? Mache ich

00:03:09: da einen Test online – wie kann ich das verifizieren?

00:03:13: – Also es gibt ein paar so Selbst-Tests, die die Betroffenen selber ausfüllen können oder auch die

00:03:20: Angehörigen natürlich, wenn sie neugierig sind, für die. Bei uns in der Beratungsstelle ist es so,

00:03:25: dass wir das im Gespräch erheben, weil wir – natürlich haben wir so Tests quasi im Kopf und

00:03:30: im Hinterkopf aber ich finde das persönliche Gespräch sagt mir ja viel mehr und da kriege

00:03:37: ich viel mehr mit. Auch, wie reagiert er auf die Frage, oder sie, und kann auch

00:03:44: Nuancen besser erheben, als wenn ich das nur auf einem Blatt Papier sehe. Also bei uns ist es so,

00:03:49: dass wir immer jemand psychosozialen, also wie ich, eine Psychologin oder Sozialarbeiterin und

00:03:55: Psychotherapeutin führt ein oder mehrere Gespräche und bei uns führt auch immer ein

00:04:02: Gespräch eine Kinder- und Jugendpsychiaterin oder eine Medizinerin, um einfach auch so ein

00:04:06: Vier-Augen-Prinzip zu haben, das ist uns ganz wichtig, damit wir nichts übersehen.

00:04:10: – Wenn ich google, finde ich das Wort Onlinesucht ganz oft häufig, häufiger als ich es mir auch

00:04:16: ein bisschen gedacht habe... Ist es schon sehr viel vertreten, eine Onlinesucht? Gibt es das

00:04:22: mittlerweile schon bei jedem dritten Jugendlichen? Kann man da irgendwie so eine Zahl sagen?

00:04:26: – Also bei Elternabend lassen wir auch immer gerne schätzen, oder bei Workshops, und da

00:04:32: kommen immer so Zahlen so 30 Prozent mindestens, wenn nicht 50 und die Studienlage geht eher in

00:04:39: Richtung maximal ein Prozent der Bevölkerung ist da betroffen, wenn wir uns Onlinesucht anschauen.

00:04:46: Bei den Jugendlichen ist die Zahl schauen höher, also da sprechen wir dann so von ungefähr 5,

00:04:50: 6 Prozent, das heißt es ist schon etwas, das vertreten ist, und die Frage ist immer muss

00:04:56: man jetzt warten bis es eine Sucht ist oder möchte man vielleicht auch schon früher eingreifen? Weil

00:05:01: manchmal ist es noch keine Krankheit und noch keine Behandlung – also gibt es auch

00:05:06: keine Behandlungsmöglichkeit, aber trotzdem sagt man okay, das führt aber jeden Tag zu Streit.

00:05:09: – Da geht es dann eher auf die Nerven und du würdest sagen, wir brauchen irgendwo ein

00:05:14: Regelwerk? – Genau.

00:05:15: – Wie schaffe ich das Regelwerk ohne zuviel zu streiten?

00:05:19: – Ja, das muss jede Familie für sich selber auch ein bisschen schauen. Also da gibt es leider oder

00:05:25: Gott sei Dank, je nachdem wie man es sieht, keine allgemeingültigen Rezepte, sondern da muss ich

00:05:31: mir anschauen, auch wenn ich jetzt als Beraterin mit einer Familie arbeite, wie funktioniert diese

00:05:36: Familie? Was ist ihnen wichtig? Was sind Dinge, die sie in ihrem Alltag gerne unterbringen wollen?

00:05:43: Ja, ist ihnen wichtig, dass sie zum Beispiel jeden Abend miteinander essen, weil sie sagen okay,

00:05:46: das ist unsere Familienzeit. Dann muss ich überlegen, wie kann ich das möglich machen?

00:05:51: Ist das Spiel von dem Jugendlichen da vielleicht im Weg, weil er einfach jeden Abend einen Raid

00:05:57: hat, wo er sagt okay, da muss ich aber dabei sein, weil sonst kann ich in meiner Gilde – kriege ich

00:06:02: in meiner Gilde Probleme, dann stellt sich die Frage: kann man die Abendessenzeit verschieben?

00:06:06: Also da muss man auch schauen, was braucht diese Familie und was funktioniert für die?

00:06:12: – Ist das so – würdest du in deiner Beobachtung sagen, dass wenn ich als Mutter, als Vater,

00:06:17: viel am Handy bin und das vielleicht teilweise gar nicht so wahrnehme, weil es normal ist,

00:06:22: weil das für mich zum Alltag gehört, dass die Kinder dann auch dazu tendieren?

00:06:27: – Also ich würde jetzt nicht sagen nur weil die Eltern viel am Handy sind,

00:06:31: sind das die Kinder auch. Also das würde ich nicht unterschreiben. Ich glaube,

00:06:34: das hat auch was mit einander zu tun, aber ich würde jetzt nicht sagen,

00:06:38: das ist jetzt immer eine unabdingbare Folge. Aber das, was ich ganz wichtig finde, ist dass die

00:06:44: Vorbildwirkung ein ganz, ein ganz ein zentraler Punkt ist. Wenn ich jedes Abendessen unterbreche,

00:06:50: weil mein Handy klingelt, dann kann ich von meinem Kind schwer verlangen, das nicht zu

00:06:54: tun. Also ich find schon, dass es wichtig ist, für die Familie zum Beispiel Handy-freie-Zeiten

00:07:02: zu etablieren oder zu organisieren und sich da auch bei der Nase zu nehmen.

00:07:06: – Handy, Computer,... es gehört ja zu unserem Alltag dazu mittlerweile und wie könnte man

00:07:13: sagen / was ist eine Richtlinie: das ist auch noch gesund oder ungesund?

00:07:17: – Viele wünschen sich da so Zeitangaben. – Ich auch jetzt. – Du auch, genau.

00:07:23: Die gibt es auch. Die findet man auch immer wieder also zum Beispiel Saver Internet ist eine ganz,

00:07:30: ganz tolle Quelle, die auch sehr gute Empfehlungen abgeben, welche Seiten sind gut, welche Seiten

00:07:37: kann man auch mit Kindern gut entdecken oder wo wird es jetzt vielleicht problematisch,

00:07:43: wo kann man sich auch mit Problemen hinwenden? Das, was ich ganz wichtig finde,

00:07:48: im Individuellen oder in der Familie sich anzuschauen ist, wie geht es meinem Kind?

00:07:52: Wenn mein Sohn drei Stunden am Abend spielt mit seinen Freunden und vorher hat er seine Hausübung

00:08:00: erledigt und für seine Schularbeit gelernt und er ist am nächsten Tag halbwegs ausgeschlafen,

00:08:05: na dann kann das okay sein. Wenn ich aber merke, okay, das funktioniert keinen einzigen Tag,

00:08:12: der verschläft jeden Tag in der Früh oder dem geht's ganz komisch – ja, der wird irgendwie ganz

00:08:18: traurig, ganz zurückgezogen oder total aggressiv, also dann wäre das für mich ein Warnsignal.

00:08:23: – Merken das Kinder selber oder muss ich da als Elternteil schauen? Merke ich als

00:08:28: Kind ich bin zurückgezogen oder ich bin aggressiv?

00:08:30: –Meistens merken es die Kinder und die Jugendlichen selber auch, dass ihnen was

00:08:36: nicht gut tut. Aber wenn es halt beim Tun so viel Spaß macht, dann gebe ich es vielleicht trotzdem

00:08:41: nicht auf. Und dann braucht es vielleicht auch ein bisschen einen Spiegel von Außen,

00:08:46: der sagt: du hast dich aber stark verändert. Ja, oder du hast mich jetzt in letzter Zeit

00:08:51: ganz schön oft angeschrien, eigentlich mag ich nicht, dass wir so miteinander umgehen.

00:08:54: – Und haben sie dann ein schlechtes Gewissen so von deiner Erfahrung her?

00:08:58: Ist das Gewissen dann da und sagt: ach ja, stimmt Mama, das hat sich total verändert.

00:09:01: Nehmen die Jugendlichen das an? Oder sagen nein, das ist gar nicht so?

00:09:05: – Ich glaube da kommt es sehr darauf an, wie geht die Familie prinzipiell mit solchen Themen

00:09:10: um. Also wenn ich als Kind weiß, wenn sowas mal im Raum steht, dann wird es Konsequenzen geben,

00:09:15: dann wäre ich das nicht zugeben. Also ich mag ja meinen Vorteil behalten. Also, wenn

00:09:19: sich quasi eine Gesprächskultur entwickelt hat, wo ich merke, die Eltern sind auf meiner Seite,

00:09:25: wenn sie sowas sagen, wie puh, du hast dich sehr verändert oder da gibt es momentan ein Problem,

00:09:30: dann wird mir das nicht im nächsten Schritt total weh tun. Dann tue ich mir sicher leichter das

00:09:36: zuzugeben, ja, das es mir auch vielleicht nicht gut tut, oder dass ich schon merke,

00:09:39: okay, das mit der Schule, das geht sich nicht aus neben dem Zocken.

00:09:43: – Und das ist wahrscheinlich auch Präventionsarbeit, die wir, die wir

00:09:46: jetzt jüngere Kinder haben tun müssen, da eine Gesprächskultur zu entwickeln. Natürlich kommt

00:09:51: der nächste Entwicklungsschritt dann, jetzt hast du noch Kinder, dann sind sie jugendlich dann ist

00:09:55: auch die Kommunikation wieder eine andere. Weil du jetzt auch gesagt hast aggressiv... unser Bub hier

00:10:02: ist ja auch aggressiv seiner Mutter gegenüber. Jetzt, ich sage es einfach vorurteilsmäßig,

00:10:08: wie man sich das denkt: Videospiele machen aggressiv – tun sie das, tun sie das nicht?

00:10:13: – Jain, ein ganz eindeutliches Jain. Erstens gibt es sehr unterschiedliche Spiele. Das heißt,

00:10:21: die Inhalte, denen ich da ausgesetzt bin, sind anders, ja, die die kann ich nicht alle in einen

00:10:29: Topf werfen. Und zweitens ist es so, dass es Studien gibt, die eben untersuchen, wie

00:10:35: geht es den Leuten danach, nach Spielen? Und die haben eher festgestellt, dass die Leute Spiele,

00:10:41: die sie aggressiv machen, nicht so gern spielen. Ja, also das heißt wenn ich merke, jedes Mal

00:10:46: nach dem Spiel geht es mir total schlecht und ich bin total aufgebracht und grantig,

00:10:51: dann spiele ich diese Spiele nicht, weil die meisten Menschen wollen sich nicht so fühlen.

00:10:55: Auch Jugendliche, die so quasi Kampfspiele oder Shooter spielen berichten eher, dass

00:11:01: sie nachher entspannt sind, weil sie so Stress in dem Spiel ausleben können. Ja, und Aggressionen,

00:11:08: die sie haben in dem Spiel gut ausleben können und danach eigentlich eher entspannter sind.

00:11:12: – Also das heißt, das regelt sich öfter mal – wahrscheinlich

00:11:15: kann man nicht sagen immer – von selber dann?

00:11:18: – Sicher nicht immer, ja, also deswegen finde ich es schon wichtig als Mama oder auch als Papa,

00:11:23: als Erziehungsberechtigter, darauf zu schauen, wie geht es meinem Kind danach, wie geht es meinem

00:11:28: Jugendlichen oder Schutzbefohlenen nachher. Und dann muss man nicht gleich verbieten,

00:11:32: sondern man kann auch einmal an diesen Stellschrauben drehen und sagen okay,

00:11:36: nach fünf Stunden bist du irgendwie zum Wegwerfen, probieren wir's mal mit 3.

00:11:41: – Und das heißt aber auch, wenn ich mir das anschaue – wenn du

00:11:44: sagst anschauen – für mich als Mutter: ich soll dieses Spiel auch spielen?

00:11:48: – Nein, es ist eine Option, man kann das machen, ja, wenn man Lust darauf hat, warum nicht. Aber

00:11:55: es ist keine Voraussetzung. Ich finde ganz wichtig, dass Eltern ermutigt werden, das

00:12:00: als ein ganz normales Erziehungsthema zu sehen. Ich muss auch keine Drogen nehmen, um zu wissen,

00:12:04: dass ich nicht will, dass mein Kind das macht. Aber das, was ich super wichtig finde, ist mit dem

00:12:09: Kind darüber zu reden und das Kind zu fragen: was spielst du da eigentlich? Erklär mir mal – zeigt

00:12:14: mir das einmal. Wie funktioniert das? Weil dann komme ich auch auf so Regeln. Ja, wenn ich merke,

00:12:19: okay, eine Runde, wenn der mal angefangen hat, der braucht mindestens zwei Stunden, der kann

00:12:24: das nicht unterbrechen, weil das wäre ähnlich, wie wenn mein Kind ein Fußballspiel spielt, dann sage

00:12:32: ich auch nicht nach 30 Minuten: so jetzt, das ist jetzt genug. Jetzt gehen wir wieder. Sondern dann

00:12:38: muss ich einfach warten, ja, das ist eine Runde und die muss er fertig machen und es

00:12:43: ist wichtig mit meinem jugendlichen Kind da in Kontakt zu bleiben und zu sagen: he, wie

00:12:49: funktioniert dieses Spiel? Wie es das aufgebaut? Zu spüren, dass es da Interesse gibt an etwas,

00:12:55: was mir mega wichtig ist, das finde ich wichtig. Selber spielen muss man es nicht.

00:13:00: – Wir reden ja in unserem Podcast über Sucht/Suchtverhalten. Onlinesucht ist

00:13:06: jetzt meiner Meinung nach ja auch eine spezielle Sucht, weil es geht nicht darum,

00:13:09: ich trinke zu viel Alkohol, ich rauche zu viel, zum Beispiel,

00:13:13: sondern Onlinesucht ist ja etwas, das uns ja auch begleitet, vielleicht auch gesellschaftlich,

00:13:18: weil offline... wer ist das schon von uns? Wir haben dauernd unser Handy aufgedreht,

00:13:23: sind dauernd online. Wie könnte man die Onlinesucht so im Speziellen auch definieren?

00:13:28: – Also ja, die Onlinesucht ist etwas Spezielles. Einerseits ist es extrem jung, ja, offiziell ist

00:13:35: es noch gar keine Krankheit. Wird kommen, ja – wir orientieren uns auch schon an den offiziellen

00:13:41: Richtlinien, die die Weltgesundheitsorganisation herausgegeben hat, und die sind eben: habe ich

00:13:48: es unter Kontrolle? Wie geht es mir wenn ich es nicht habe? Also habe ich Entzugserscheinungen?

00:13:53: Da geht es darum: vernachlässige ich wichtige Pflichten? Vernachlässige ich andere Hobbys?

00:13:59: Kann ich an noch was anderes denken oder kreisen meine Gedanken nur noch darum? Also, da gibt's

00:14:04: schon ganz klare Definitionen. Das was es auch von anderen Süchten unterscheidet ist, dass Abstinenz,

00:14:11: also ein nicht Nehmen oder ein nicht Machen bei der Onlinesucht ganz, ganz schwierig ist, weil das

00:14:17: so eine Kulturtechnik ist, ja, das heißt E-mails schreiben, kommunizieren mit anderen, mich im

00:14:23: Internet bewegen... Das ist etwas, das brauche ich ja in fast allen Berufen. Das brauche ich in der

00:14:29: Ausbildung, das brauche ich im Privatleben. Also da zu sagen okay ich habe ein Computerspielproblem

00:14:37: und deswegen darf ich das jetzt nicht mehr machen, das wird nicht gut funktionieren.

00:14:40: – Wie behandelt man das?

00:14:42: – In der Behandlung versuchen wir tatsächlich herauszufinden, erstens:

00:14:48: gibt es ein zugrunde liegendes Problem? Also ist das vielleicht dieses viel Spielen eigentlich

00:14:54: mehr so ein Symptom für was anderes? Und das gegebenenfalls auch behandeln...

00:15:00: – Wenn du sagst behandeln, bin ich dann in einer Entzugsanstalt

00:15:03: oder komme ich dann zu euch zwei mal in der Woche? Wie geht man da vor?

00:15:09: Ja das ist auch unterschiedlich. Also manchmal macht's Sinn zu sagen man macht eine stationäre

00:15:15: Therapie – das heißt man ist ein paar Wochen in einer Klinik oder in einer Therapiestation

00:15:22: und hat dort mal eine gute Pause, ja, da gibt es einfach keine Medien sondern dann

00:15:27: macht man Therapie, Psychotherapie, oder man kriegt vielleicht auch Medikamente,

00:15:31: wenn es sinnvoll ist, und man hat einfach eine Zeit lang keinen Zugang dazu. Und in

00:15:36: dieser Zeit schaut man sich auch an okay, was ist so wichtig an dem Spiel oder an dem Medium,

00:15:40: das ich so viel verwende? Manchmal ist es Social-Media, manchmal ist es Onlinepornografie,

00:15:46: manchmal ist es Shoppen. Also da gibt es ja auch verschiedene Möglichkeiten, die verschiedene...

00:15:51: Genau, das ist ja auch nicht für jeden gleich. Also ich identifizier das, ich schaue mir an,

00:15:56: um was geht's eigentlich und überleg: kann ich das einschränken, kann ich das weglassen,

00:16:01: kann ich was anderes machen, das mir stattdessen ein gutes Gefühl gibt? Manchmal reicht's auch

00:16:07: oder manchmal ist es besser ich bin in meinem ganz normalen Alltag, ich gehen die Schule, ich mache

00:16:12: meine Arbeit und geh ein oder zwei Mal in der Woche in eine Beratungsstelle, wie in unsere. Da

00:16:17: gibt es ja auch schon mehrere in Österreich. Also auch das kann Sinn machen. Das ist eben von Person

00:16:25: zu Person auch verschieden, was da besser hilft. Das, was ich ganz wichtig finde, gerade wenn wir

00:16:31: von der Behandlung von Jugendlichen sprechen, ist dass die Familie da mit an Bord ist. Also,

00:16:35: dass die Eltern/die Erziehungsberechtigten gut eingebunden sind. Dass sich die auch beraten

00:16:40: lassen. Dass die wissen, was passiert, weil das oft auch ein Thema für die ganze Familie ist.

00:16:46: – Betrifft ja alle... – Genau.

00:16:47: – Wenn ich mir jetzt nämlich vorstelle apropos Familie, es betrifft alle... Freunde von mir:

00:16:52: große Familie, ein Bub jetzt, wo ich jetzt auch sage, habe ich ja auch schon den Gedanken gehabt:

00:16:57: na ja, immer wenn wir bei denen sind, den sehe ich da nicht der sitzt permanent in seinem Zimmer und

00:17:04: spielt aber eh mit anderen gemeinsam, weil die sind beim Computer eh verbunden miteinander und

00:17:09: machen dann ein Abenteuer gemeinsam. Ich kenne mich jetzt auch nicht so genau aus, was er da

00:17:13: spielt. Und da denke ich mir, soll ich da was sagen als Freundin oder nicht,

00:17:18: oder eigentlich ist es eh ganz super, dass er da in seinem Zimmer ist und wir in Ruhe sind?

00:17:23: Ist das dann schon auffällig oder sollte man sich dann an euch wenden? Also das ist eben was,

00:17:28: was wir von außen immer wieder beobachten und uns auch ein Bild, eine Meinung machen zu Kindern,

00:17:34: die permanent daran hängen oder die nur ins Handy rein starren während sie im

00:17:38: Bus sind. Also dieses, ich denke mir dann auch, das Soziale fällt ein bisschen weg.

00:17:42: – Glaube, da muss man eben unterscheiden zwischen was ist wirklich krankheitswertig,

00:17:48: was ist behandlungswürdig und was ist auch ein ganz normales Verhalten? Also wenn du jetzt sagst,

00:17:53: wenn du dort bist und mit deiner Freundin in Ruhe quatschen willst und der verzupft sich in

00:17:58: sein Zimmer, dann denke ich mir, ja, ist die perfekte Gelegenheit. Weil ob der jetzt dort

00:18:04: drinnen ist und ein Buch liest, oder Musik hört, oder am Handy spielt... Ja, de facto wird es fast,

00:18:11: ich fände es fast komisch, wenn er sich zu euch setzen würde. Das ist ein Jugendlicher,

00:18:14: was macht der mit zwei so alten Tanten? Das wäre fast komisch. Aber wir haben

00:18:20: alle so unsere Ideen zum Handy. Wir haben Vorurteile dazu. Das ist schon eine Frage,

00:18:25: die ich auch besorgten Eltern oder so stelle. Wenn der jetzt den ganzen Tag lesen würde oder wenn

00:18:31: er den ganzen Tag Schach spielen würde, oder wenn er den ganzen Tag am Fußballplatz wäre,

00:18:35: würden sie sich genau so viel Sorgen machen, wie jetzt? Deswegen ist es wichtig zu schauen,

00:18:40: warum mache ich mir Sorgen? Was ist das Problem? Was kommt dafür zu kurz? Wenn ich mir denke,

00:18:46: okay, das Soziale kommt zu kurz, dieses Kind kann mir nicht mehr in die Augen schauen,

00:18:49: na dann werde ich viele Gespräche führen oder sagen okay, mir ist dieses gemeinsame Abendessen,

00:18:55: oder was auch immer, wichtig und ich versuche hier gegenzusteuern. Und nicht prinzipiell das

00:19:01: Ding zu verteufeln, weil das Handy oder der Computer ist nicht per se schlecht, sondern...

00:19:07: – Na das hat auch jeder. – Genau. Wichtig auch in der

00:19:09: Prävention für uns ist, zu schauen dass es viele verschiedene Dinge gibt, die mir Spaß machen,

00:19:15: die mich entspannen, die ich machen kann, wenn ich feiern will. Also Präventionsarbeit bedeutet

00:19:23: immer viele Möglichkeiten zu haben, einen Alltag zu gestalten, aber auch viele Möglichkeiten zu

00:19:28: haben auf Gefühle zu reagieren, die in mir hochkommen. Das hat auch wieder viel mit

00:19:34: Vorbildwirkung zu tun. Wenn mir selber nichts anderes einfällt, als am Abend Fern zu schauen,

00:19:39: wie soll ich meinem Kind dann vermitteln, dass es da verschiedene Möglichkeiten gibt?

00:19:44: Ja, wenn ich mich auf einmal mit einem Buch hinsetze und nicht den Fernseher aufdrehe,

00:19:48: dann wird das mein Kind vielleicht auch irritieren und der wird sagen, aha, du liest heute?

00:19:51: – Apropos Vorbildwirkung: um auf unsere Dame wieder zurückzukommen mit ihrer Frage.

00:19:59: Der Sohn geht nicht immer mehr in die Schule, er ist aggressiv und ist er jetzt süchtig,

00:20:05: soll sie's ihm wegnehmen? Das sind ja vier Dinge,

00:20:08: die da ganz groß sind. Hast du ein Resümee, einen Rat, wie diese Mutter jetzt gerade agieren soll?

00:20:16: – Also ich finde es ganz wichtig mit ihrem Sohn da in Verbindung zu bleiben und auch ihm immer

00:20:25: wieder Hilfe anzubieten. Die haben gerade so eine ganz massive Umbruchsituation. Der

00:20:30: ist in einer neuen Schule, der ist in einer neuen Stadt, der hat da wahrscheinlich noch

00:20:34: nicht wahnsinnig viel Anschluss und wahnsinnig viele Freunde, das heißt sich da immer wieder

00:20:38: auch als Gesprächspartnerin anzubieten, finde ich schon mal ganz, ganz wichtig. Ich find's super,

00:20:43: dass sie sich Hilfe holt und dass sie sich beraten lässt. Dafür gibt's ja auch Einrichtungen,

00:20:49: wie uns. Man kann sich online und anonym und per Telefon an uns wenden. Oft ist auch mit einem

00:20:57: Telefonat viel weitergeholfen. Ich glaube, es ist eine Hemmschwelle auch sich Hilfe zu holen,

00:21:04: weil man dann glaubt, man muss jetzt jede Woche in eine Therapie laufen. Das ist

00:21:08: gar nicht immer notwendig manchmal reicht ein Telefonat, um wieder neue Impulse zu kriegen.

00:21:13: – Und genau so ein Gespräch kann man bei euch führen, mit dir, Nika, wenn man beim Verein Dialog

00:21:18: anruft, hebst du öfter auch ab. Und wenn man sagt als Eltern, als Erziehungsberechtigte, ich will

00:21:25: mich zum Thema Onlinesucht oder klarerweise zu anderen Süchten auch hier mit jemandem

00:21:29: unterhalten, ein professionelles Ohr finden, dann meldet man sich bei euch. Danke dir sehr

00:21:35: für das Gespräch, Nika, danke für den Besuch hier. Bis zum nächsten Mal bei Donner, Wetter, Sucht.

00:21:42: Wenn Sie Beratung und Unterstützung suchen, dann wenden Sie sich unter der Telefonnummer

00:21:47: 01 205 55 25 02 an den Verein Dialog oder informieren sie sich unter www.sdw.wien.

00:21:56: Dieser Podcast wurde finanziert vom Institut für Suchtprävention der

00:22:00: Sucht- und Drogenkoordination Wien und wurde in Zusammenarbeit mit dem Verein Dialog produziert.

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